Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
und fällt mit seinem ganzen Gewicht gegen meinen Rücken, womit er mich beinahe umwirft. Das Ächzen, das aus seiner Kehle dringt, ist reiner, animalischer Schmerz. Er greift um mich herum und drückt mir den Scanner gegen die Brust. »Nimm das«, sagt er und sinkt auf die Knie.
Ich drehe mich zu ihm um, der Scanner baumelt von meiner Faust herab. An der Rückseite färbt sich das gebügelte weiße Hemd meines Vaters rot.
Der Fahrer des Geländewagens, ein muskulöser junger Typ mit einer tief ins Gesicht gezogenen Baseballmütze, öffnet die Fahrertür, stellt sich auf die Trittstufe und richtet eine Handfeuerwaffe auf die Cops. »Hebt ihn ins Auto! Das ist kugelsicher!«, brüllt er uns an, nur um gleich darauf ein Trommelfeuer von Kugeln auf unsere Verfolger loszulassen.
Schwach höre ich die Rufe der Polizisten, die in Deckung gehen und uns so einen Augenblick Zeit verschaffen, uns in Sicherheit zu bringen. Doch ich bringe es nicht fertig, mich in Bewegung zu setzen, kann mein schmerzendes Bein nicht mehr spüren, kann diesen Geländewagen nicht mehr sehen, unsere einzige Möglichkeit, hier lebend rauszukommen. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, meinen Dad anzustarren, meinen grenzenlos perfekten, unverwundbaren Dad, dessen Finger suchend seinen Rücken abtasten. Er spuckt Blut auf den Gehweg zu meinen Füßen. Mir dreht sich der Magen um.
Christina, in deren blassem Gesicht Entschlossenheit geschrieben steht, springt aus dem Fahrzeug und reißt mir den Scanner aus der Hand. Dann geht sie zu Dads anderer Seite und hilft mir, ihn zur hinteren Tür des Geländewagens zu schleifen. Der Fahrer meines Dads schießt immer noch und lädt ständig nach, wenn ihm die Kugeln ausgehen. Nur ihm ist es zu verdanken, dass wir noch nicht durchlöchert sind.
Ich springe hinter Christina auf den Rücksitz, greife meinen Dad unter beiden Armen und hieve ihn auf den Sitz.
»Hey!«, rufe ich dem Fahrer zu. »Wir sind drin!«
Während der Typ noch ein paar weitere Schüsse abgibt, greife ich um meinen Dad herum nach dem Griff der Beifahrertür. Eine Kugel gräbt sich wenige Zentimeter über meiner Hand ins Armaturenbrett. Ich zucke zusammen und knalle die Tür zu. Weil ich einen Blitz im Rückspiegel wahrnehme, wirbele ich herum und sehe ein paar Cops, die in unsere Richtung rasen. Sie kommen von beiden Seiten auf uns zu.
»Bringen Sie uns hier weg!«, rufe ich.
Unser Fahrer will sich in den Geländewagen zurückgleiten lassen.
Er schafft es nicht. Er zuckt und fällt zur Seite, sein Blut spritzt auf die Windschutzscheibe. Ich drücke das Gesicht ans Fenster und sehe ihn ausgestreckt auf dem Asphalt liegen. Eine Kugel hat ihn mitten in die Stirn getroffen.
Christinas blaue Augen sind fest auf meine gerichtet und einen Moment lang herrscht absolute Stille. Wahrscheinlich nur einen Sekundenbruchteil, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Ihr schockierter Gesichtsausdruck ist das Spiegelbild von meinem. Ich will nach ihr greifen, kann mich aber nicht bewegen. Ich will sie retten, bin aber machtlos. Vor einer Stunde haben wir noch im Speisesaal Witze gemacht und jetzt sind wir von Blut und Tod umgeben. Und es ist alles nur meine Schuld. Ich habe uns das angetan, es über uns hereinbrechen lassen. Neben mir mein blutender Vater, auf dem Sitz zusammengesunken … und unser Fahrer ist tot, bloß weil ich so bescheuert war, diesen verdammten Scanner mit in die Schule zu nehmen. Ich weiß, dass sie deshalb hinter uns her sind. Nichts von alldem wäre passiert, wenn ich nicht gewesen wäre.
Ich weiß nicht, was Christina in meinem Gesicht liest, aber in ihren Augen flackert etwas Weißglühendes und Messerscharfes.
Meine Freundin wirft sich über den Fahrersitz und knallt die Fahrertür zu. Ohne auch nur im Geringsten zu zögern, setzt sie sich ans Steuer und tritt aufs Gas. Ein krachender Aufprall erschüttert den Geländewagen, als wir gerade losfahren wollen. Einer der Cops klammert sich ans Heck, die Füße auf der Stoßstange. Christina beugt sich über das Steuerrad und späht durch die blutbespritzte Windschutzscheibe, kurvt zurück und nach vorne, als wir an den anderen Cops vorbeifahren, die nun auf unsere Reifen schießen, als wäre es ihnen total egal, dass ihr Kumpel hinten dranhängt und von einer verirrten Kugel getroffen werden könnte. Wir sind so schnell, dass wir irgendwie an ihnen vorbeikommen. Dabei erhasche ich einen letzten Blick auf Stoppelkopf, dessen Gesicht erstarrt ist und der mit den Armen
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