Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
einflößende Blick im Gesicht meines Vaters nicht entgangen ist – und dass er versuchen wird, mich zu retten.
Er schlendert auf uns zu. »Hey, Mr Archer! Wie geht’s?«
»Ist er derjenige, dem du das Gerät gegeben hast?«, fragt Dad, wobei er kaum den Mund öffnet.
Hoffnungsvoll mustere ich Will, aber er steht da mit leeren Händen. »Nein«, sage ich leise.
Mein Dad sieht Will nicht einmal an, als er sich an ihm vorbeidrängt. »Geh in die Klasse.«
Will drückt sich gegen die Wand, damit er nicht umgerannt wird. Ich kann nichts weiter tun, als um Entschuldigung bittend mit den Schultern zu zucken, während ich abgeführt werde.
Das ist viel schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte, und als wir durch den nächstgelegenen Eingang in die Cafeteria gehen, weiß ich, dass es noch schlimmer werden wird: unvergesslich grauenhaft.
Christina sieht mich kommen. Sie steht auf und hält sich ihren Rucksack vor die Brust. Offenbar hat sie auf mich gewartet, in der Hoffnung, dass ich vor Beginn der nächsten Stunde zurückkäme, und ich wünschte, sie hätte das nicht getan. Ihre Augen weiten sich erschrocken, und beinahe schaffe ich es, meinen Vater an ihr vorbeizulenken. Ich will sie vor diesem Moment, vor meinem eigenen Vater beschützen.
Sie öffnet den Reißverschluss an ihrem Rucksack und holt den Scanner heraus. Sie hält ihn meinem Vater hin, dessen Aufmerksamkeit plötzlich auf das Gerät – und auf Christina – gerichtet ist. Er stiefelt auf sie zu, ohne auch nur zu zucken, als mindestens vier meiner Klassenkameraden von ihm abprallen wie die Autos beim Autoskooter. Wir kämpfen gegen die Flut an, denn jetzt strömen alle zu den Ausgängen hin, doch niemand ist Frederick Archers breiten Schultern und seinem brutalen, zielstrebigen Vorhaben gewachsen.
Ich versuche, an ihm vorbeizuziehen, mich zwischen die beiden zu stellen, doch sobald er meinen Arm losgelassen hat, schiebt er mich auch schon beiseite. Er reißt Christina den Scanner so grob aus den Händen, dass sie vorwärtstaumelt. Sie verzieht das Gesicht, als sie mit der Hüfte gegen die Tischkante schlägt. Ich wirbele herum, sehe rot, bin bereit, es gleich hier mit ihm aufzunehmen. Er kann mich so viel anschreien, wie er will. Verdammt, er kann mir von hier bis nach Jersey in den Arsch treten, aber ich werde nicht zulassen, dass er Christina wehtut.
Ich mache den Mund auf, ein paar explosive Worte im Anschlag und bereit loszubrüllen. Mein Dad beachtet mich aber überhaupt nicht. Er schaut auch Christina nicht mehr an. Seine Augen sind auf den entgegengesetzten Eingang zur Cafeteria gerichtet, der zum Mathe- und Naturwissenschaftsflügel und zum hinteren Parkplatz führt.
Drei New Yorker Polizisten stehen im Torbogen, neben ihnen ein Kerl in schwarzem Anzug mit Krawatte. Er hat das scharfkantigste Gesicht, das ich je gesehen habe, und militärisch kurz geschnittene Haarstoppeln. Sein wütender Blick schwirrt mit systematischer Präzision durch die Cafeteria, während die dritte Pausenschicht an ihm vorbeiströmt, begierig auf ihr dreißigminütiges Entkommen vor den Strapazen ihres Tages. Die dunklen Augen von Stoppelkopf blicken über sie hinweg und verengen sich, als sie jemanden entdecken, der links neben mir steht.
Meinen Vater.
Ich schaue zu meinem Vater hinüber, dem anzusehen ist, dass er den Mann ebenfalls erkannt hat – unverhohlener Hass und eine gewisse Angst liegen in seinem Gesicht. Dieser Ausdruck ist mir so fremd, dass ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Ich will nur noch weg.
»Nein«, knurrt Dad und macht einen Schritt zurück. Seine Finger packen mich an der Schulter. »Tate, ich weiß, dass du sauer auf mich bist. Aber streiten können wir später.«
Ich reiße mich von ihm los. »Lass mich.«
Er verhält sich so merkwürdig. Es ist noch keine Minute her, dass er Christina quasi angegriffen hat, bloß weil sie versucht hat, ihm den Scanner zu geben, den ich ihr aufgedrängt habe. Und jetzt sieht er so verzweifelt aus, dass ich nur noch will, dass er weggeht – ohne mich. »Warum kannst du nicht einfach …«
» Tate. « Dad packt mich schon wieder am Arm. »Es ist sehr wichtig, dass wir rennen. Jetzt.«
Genau in diesem Augenblick biegt Mr Lamb um die Ecke und sagt etwas zu den Polizisten und Stoppelkopf. Mein Lehrer für Spieltheorie sieht uns mit seinem vertrauten Grinsen an. Wahrscheinlich war er derjenige, der Stoppelkopf gerufen hat. Er zeigt auf mich, als würde er mir eine unsichtbare Zielscheibe auf
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