Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
die Beine abgeschnitten. Ich fange die qualmende Orange, bevor sie durch das Schiebedach verschwindet, und starre auf drei perfekte, runde Blutstropfen auf der Orangenschale. Es ist ein völlig abgekoppelter Moment, ein tausendjähriger Todeskampf, verpackt in den Bruchteil einer Sekunde. Meine Mom beginnt, vor und zurück zu schlingern, was mich aus meiner Trance reißt, und mir wird klar, dass sie versucht, sie davon abzuhalten, mich auch zu erwischen. Ich sollte wieder runtergehen, mich in Sicherheit bringen.
Scheiß drauf.
Scheiß drauf.
Ich schleudere die Orange genau auf das offene Fenster des neben uns fahrenden Geländewagens, aus dem heraus ein grauhaariger Agent von Neuem zielt und diesmal mich ins Visier nimmt. Während die Orange noch durch die Luft fliegt, schwinge ich meine Wasserpistole und drücke ab, genau in sein Gesicht. Die Flüssigkeit entzündet die Orange und sprüht rotierende Funken, bis sie zu einem Flammenstrom wird, der durch den Raum zwischen uns genau in dieses geöffnete Fenster hineinschießt. Das wilde Vergnügen, das ich spüre, als die Insassen des Geländewagens anfangen zu schreien, macht mir beinahe Angst. Beinahe. Aber in diesem Moment fühle ich mich wie betäubt und der kleine Rest von Bewusstsein in mir will ihnen einfach nur wehtun.
Ich sinke zurück in den Minivan. Christina liegt quer über dem Sitz und hat Blut in den Haaren. Ich schaffe es nicht, sie mir genauer anzusehen. Wenn ich das tue, werde ich implodieren, mich von innen nach außen zersetzen. Meine Mom braucht mich noch, also werde ich später draufgehen müssen.
Ich zünde die dritte Orange an und fülle meine Wasserpistole erneut mit Flüssiganzünder. Jetzt verfolgt uns nur noch ein Geländewagen und in dem sitzt Race. Merkwürdig ist allerdings, dass noch keine Polizei da ist. Ich frage mich, ob er ihnen gesagt hat, dass sie wegbleiben sollen, damit er uns in Ruhe abschlachten kann. Und ich frage mich, ob er das jetzt bereut.
Aber … da sind sie, erklimmen etwa anderthalb Kilometer hinter uns einen Hügel, blitzende rote Lichter in der Ferne. Er hat Verstärkung gerufen. »Mom.«
»Ich seh’s.«
Ich schalte um auf Autopilot und stemme mich nach oben. Race ist immer noch hinter uns. Er lässt gerade sein Fenster runter. In seiner Hand sehe ich eine Waffe. Ich schleudere die Orange auf seine Windschutzscheibe und reiße die Wasserpistole nach oben.
Und dann verfehle ich ihn.
Genau im richtigen Augenblick weicht er seitlich aus, und die Feuerball-Orange prallt vom Außenspiegel ab, bevor sie auf die Straße fällt, wo sie eine jämmerliche Flammenspur hinterlässt.
Dieses Mal bin ich derjenige, der zurück in den Minivan fällt, als wären meine Fäden durchtrennt worden. Verfluchte Scheiße .
»Mach dir nichts draus«, bellt meine Mom. »Schnall dich jetzt an und sorg dafür, dass Christina auch angeschnallt ist. Wir fahren an der nächsten Ausfahrt runter.«
Ich knie mich auf die Fußmatte und wickele den Gurt um Christinas Rumpf, schnalle sie fest und ziehe ihn stramm. Doch jetzt, da ich ihr so nahe bin, kann ich nicht mehr von ihr ablassen. Ich muss es wissen.
Mit zitternden Händen fasse ich nach ihrem Handgelenk und halte die Luft an. Hastig und zischend atme ich aus, als ich ihren Puls ertaste, der schnell, aber regelmäßig ist. Ich beuge mich nach unten, als meine Mom nach rechts ausschert und irgendwo abprallt. Ich bemerke den Aufprall kaum, registriere ihn kaum. Christina hat gerade aufgestöhnt. Jetzt weiß ich, dass sie am Leben ist, und ich werde sie nicht gehen lassen. Meine Hände fahren durch ihre Haare, auf der Suche nach der Quelle des Blutes, das durch ihre blonden Locken sickert. Gott sei Dank ist es kein Loch, sondern ein tiefer Schnitt. Die Kugel muss ihren Schädel gestreift und eine lange, tiefe Wunde hinterlassen haben. Aber sie blutet. Stark. Ich reiße einen Streifen vom unteren Rand ihres Hemdes ab und drücke es auf die Wunde.
Ich setze mich auf und schaue mich um, wobei mir ein Straßenschild ins Auge fällt. Wir sind irgendwo in der Nähe der Grenze zwischen Delaware und Maryland. Die Cops sind immer noch so weit von uns entfernt wie vorher, aber Race ist uns dicht auf den Fersen.
»Seid ihr angeschnallt?«, ruft meine Mom.
Ich reiße den Gurt hervor und ziehe ihn um mich. »Ja.«
»Dann pass auf!«
Sie reißt das Lenkrad nach rechts und wir schneiden einem riesigen Bus auf der langsamen Spur den Weg ab. Der Busfahrer muss in die Eisen gehen. Die Reifen
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