Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
wiedersehen, dass Livia ihre große Schwester zurückbekommt.
Ich sehe mich im Inneren des Fahrzeugs um. »Ich nehme nicht an, dass wir eine Waffe dabeihaben, oder?«
Meine Mom schüttelt den Kopf und schenkt mir ein trauriges Lächeln. »Ich bin nicht so ein wandelndes Waffenlager, wie es dein Vater war.«
Ich würde mich so viel besser fühlen, wenn er hier wäre, wenn er das Sagen hätte. Gerade als ich denke, dass es meiner Mom wahrscheinlich genauso geht, ruft sie: »Achtung!«
Die Geländewagen kommen – schwer, schwarz und bedrohlich –, drei davon fahren aggressive Schlenker zwischen den Autos. Wir sind jetzt nur noch wenige Wagenlängen voraus. Einer von ihnen rast nach rechts, drückt aufs Gas und schießt über den Standstreifen. Er zieht abrupt wieder rüber auf die normale Spur, um sich nicht die Reifen zu ruinieren, und schneidet einen Cadillac, der von einer weißhaarigen alten Dame gefahren wird. Sie weicht aus, und orange Funken fliegen von der Leitplanke, als ihr Wagen davon abprallt und schleudernd zum Halten kommt.
Welche Angst meine Mom auch immer zuvor gehabt haben mag, sie ist tief in ihrem Inneren begraben, neben ihrer Trauer und all den anderen Gefühlen, von denen niemand wissen soll. Sie sieht absolut ruhig aus. Ich bin dankbar dafür, denn einer der Geländewagen hinter uns holt auf und kommt so nahe, dass ich die kantigen Umrisse von Race Lavins ernstem Gesicht erkennen kann. Er sitzt am Steuer und starrt genau auf unsere getönte Heckscheibe, als könnte er hindurchsehen, obwohl ich weiß, dass das unmöglich ist. Sein Kiefer bebt vor Entschlossenheit, als er unsere Stoßstange rammt. Christina jault auf.
Meine Mutter steigt auf die Bremse.
Der Aufprall schleudert uns nach vorne, doch der Gurt fängt mich auf, bevor ich mit dem Gesicht gegen den Beifahrersitz knalle. Meine Mutter tritt aufs Gas, nimmt Geschwindigkeit auf und rast die äußerste linke Spur entlang. Race ist jetzt ein paar Wagenlängen hinter uns, aber anscheinend konnte die Kollision seinem Fahrzeug nicht viel anhaben. Es muss ebenfalls gepanzert sein. Die anderen beiden Geländewagen fahren auf der mittleren Spur. Einer versucht, uns von vorne zu schneiden, während der andere dicht neben uns fährt.
»Sie wollen uns einkesseln«, sage ich.
Der Geländewagen neben uns kommt näher, drängt uns ab. Aber der Fahrer muss dauernd auf die langsame Spur ausweichen, um an dem Verkehr auf der mittleren Spur vorbeizukommen. Doch schließlich lässt er ein paar Autos auf der rechten Seite hinter sich und fährt tosend auf uns zu.
Dieses Mal entfährt Christina beim Zusammenprall ein Schrei, denn sie wird gegen den Fensterrahmen geschleudert.
»Scheiß drauf«, murmele ich und schnalle mich ab. Wenn sie uns von der Straße abdrängen, sind wir geliefert. Wenn sie nicht bald aufgeben, dann sind wir echt geliefert.
Also werde ich sie zwingen aufzugeben.
Ich greife unter den Sitz und schnappe mir Christinas Rucksack. Ich hole die Brötchen, die Chips, die Orangen und den Flüssiganzünder heraus … und die Wasserpistole. Innerhalb weniger Sekunden entwickele ich einen Plan. Ich reiße das Orangennetz auf und nehme drei heraus, dann schiebe ich es zu Christina. »Kannst du mir helfen? Bist du bereit?«
Sie wird blass, als sie auf die Orangen herabsieht. »Ähm, klar.«
»Du musst sie damit bewerfen.«
Ihr Lachen ist hart an der Grenze zur Hysterie. »Was?«
»Sie bewerfen. Zeit für mich schinden.«
»Tate«, sagt meine Mom. »Ich weiß nicht, was du vorhast, aber …«
»Halt mir den Vortrag später, okay? Jetzt lass mich machen, was Dad mir beigebracht hat.«
Meine Mom presst die Lippen fest aufeinander, streitet sich aber nicht mit mir, sondern betätigt den Schalter am Armaturenbrett, mit dem die Heckscheibe bedient wird.
»Sie haben bestimmt erraten, dass wir gepanzert sind«, sagt sie, »das ist der einzige Grund, wieso sie jetzt nicht auf uns schießen. Das und das Risiko, Zivilisten zu verletzen, was sie nach Möglichkeit vermeiden werden. Aber wenn sie eine Chance wittern, werden sie diese wahrnehmen.«
Ich zerre den Orangensack aus Christinas Griff. »Lass gut sein. Wart’s ab.«
»Bist du verrückt?«, ruft Christina mit hoher Stimme. Sie greift sich die Orangen und drückt den Knopf, mit dem man das Schiebedach öffnet.
»Sei vorsichtig«, mahnt meine Mom. »Wenn wir auf die Fünfundneunzig kommen, wird der Verkehr wieder stärker. Wenn du es schaffst, dass sie uns etwas Platz lassen, kann ich
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