Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
seinen Weg durch den Wald schlängelt. Es wäre sehr aufwendig gewesen, den unsichtbaren Zaun um diese lange Wasserstelle herum auszurichten. Was die Bishops stattdessen gemacht haben: Sie haben das System um den Rand des Teiches gelegt und direkt über dem Strom abgeschnitten. Es gibt auf beiden Seiten des Ufers in der Erde versenkte Steine mit Markierungen, die die Grenze des Sicherheitssystems anzeigen; unauffällig, wenn man nicht nach ihnen sucht. Jeder Bishop dürfte wissen, dass er sich von der unsichtbaren Linie über diesem Teil des Teiches fernhalten muss. Vermutlich bleiben sie an der Seite, die der Lichtung am nächsten ist, unten und meiden diesen Fleck wie die Pest.
Ich ziehe meine Schuhe und mein Hemd aus und lasse sie am Ufer. Dann hole ich das Valiumfläschchen raus und sehe es mir an. Wasserdicht … halbwegs. Ich stecke es wieder in meine Tasche und krieche etwa drei Meter die Grenze entlang. Dabei lausche ich auf irgendwelche verräterischen elektronischen Geräusche, die mir ankündigen, dass mein Leben gleich zu Ende geht. Ich schnaufe, als meine Zehen im eiskalten Matsch versinken. Das Wasser hier ist wie Eis, weil es gerade erst aus der Erde gesprudelt kommt. Gegen das Zähneklappern ankämpfend, mit Gänsehaut am ganzen Körper, sinke ich tiefer, tauche in den Strom. Die automatischen Gewehre, die die Grenze schützen, scannen bloß ab Bodenhöhe; wenn ich unter Wasser bin, sollte ich es also schaffen. Ich versuche ein letztes Mal, die Distanz abzuschätzen – ein Fehler wäre gleichbedeutend mit einer Kugel im Kopf –, und tauche ins Wasser ein.
Es wird schnell tief, dringt mir in die Ohren, begräbt mich in Schweigen. Ich schleppe mich über den schlammigen Grund. Völlig blind verlasse ich mich auf die Karte in meinem Kopf. Ich muss bis mindestens neun Meter hinter die Grenzmarkierungen kommen. Nur dann weiß ich, dass ich sicher bin. Es geht nur langsam voran, weil ich so tief unten bleiben muss wie möglich, damit mich das elektronische Auge der Kamera nicht entdeckt. Es dauert nur ein paar Sekunden, bis meine Hände taube Klumpen sind. Aber ich zähle jeden Schlag, jeden Meter, jede Sekunde, zwinge mich, schnelle, zielgerichtete Bewegungen zu machen. Schließlich lasse ich mich nach oben treiben und schwimme dann dicht unter der Oberfläche etwa zehn Meter weiter. Dann drehe ich mich mit einem stillen Gebet auf den Rücken und durchbreche die Oberfläche, gerade weit genug, um einen tiefen Atemzug nehmen zu können.
Da ich nicht mit einer Kugel in der Brust ende, ist wohl alles okay. Ich schwimme ans Ufer und schaudere, als ein Luftzug meine Haut trifft. Während ich mich bemühe, das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu bringen, ziehe ich das Valium wieder aus meiner Tasche und schüttele es, ermutigt von dem trockenen Klappern der Tabletten im Inneren.
Jetzt befinde ich mich innerhalb der Sicherheitseingrenzung, in der Nähe der Bishop-Lichtung. Das war der einfache Part. Der nächste wird schwieriger, aber Chaos war schon immer meine Spezialität.
Barfuß tapse ich vorwärts und lasse die faulenden Blätter und die feuchtkalte Erde meine Schritte dämpfen. Ich fahre mir mit den Händen durch die nassen Haare und dann meine Arme hinunter, um Tropfen des schlammigen Teichwassers abzustreifen. Meine Hose tropft noch, als ich die Klinik erreiche. Die Fenster sind dunkel. Langsam nähere ich mich der Hintertür und wage einen Versuch. Sie ist offen.
Vorsichtig drücke ich die Tür auf und erschrecke, als sie knarrt, weil ich weiß, dass mindestens eine Person hier ist: Francis, der Chefarzt, der krank in einem der Zimmer auf diesem Flur liegt. Einen Moment lausche ich, doch es ist still, also schlüpfe ich hinein und ziehe die Tür wieder zu. Ich nehme an, dass hier irgendwo eine Vorratskammer sein muss, also fange ich an, ein paar Türen zu öffnen. Einige enthalten Arzneischachteln, die alle sorgfältig beschriftet sind. Es ist erstaunlich, was diese Leute alles für ein Zeug haben: alle Arten von Medikamenten für das Herz, sogar etwas, von dem ich denke, dass es für eine Chemotherapie gegen Krebs sein könnte. Aber so etwas Kompliziertes brauche ich gar nicht. In der zweiten Kammer, die ich durchsuche, finde ich ein paar Fläschchen Jodkristalle. Perfekt. Außerdem noch ein Skalpell, das ich mir einstecke.
In der dritten Kammer finde ich Putzzeug, unter anderem ein paar Liter Ammoniak und eine Rolle Papiertücher. Ich hocke mich auf meine Fersen und schiebe die Behälter
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