Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
auf den Gang.
»Willkommen zurück«, ertönt eine Stimme aus dem Flur. Ich wirbele herum und sehe David, der in der Türöffnung eines Krankenhauszimmers steht und die Arme vor der Brust verschränkt hat. Als würde er mich schon eine Weile beobachten.
Tja, Scheiße.
»Danke«, sage ich, während ich langsam aufstehe. Ich will dem Typen echt nicht wehtun, aber ich denke bereits darüber nach, wie ich ihn am schnellsten mit einer Verlängerungsschnur fesseln und dann in den Schrank sperren kann. Er ist ein verdammter Schmalhans, es sollte also nicht allzu schwierig sein.
In seinem Kichern liegt kein bisschen Humor. »Kein Grund, mich so anzusehen. Ich helfe dir.«
»Hä?«
»Du bist doch wegen des Scanners zurückgekommen, oder?«
»Ja.«
Er beugt sich nach vorne, als würde er mich für etwas schwer von Begriff halten. »Ich helfe dir dabei.«
»Warum?«
Er runzelt die Stirn. »Ich liebe meine Familie, aber sie werden jemanden verletzen, und sie werden dieses Ding als Rechtfertigung benutzen. Denn wenn diese Person kein Mensch ist, werden sie …« Er atmet hörbar aus. »Du hast sie ja heute Abend gesehen.«
Jetzt verstehe ich. Sein Gesichtsausdruck, der Klang seiner Stimme. Er tut das nicht, um eine gesichtslose Person in der Zukunft zu retten. Er tut das nicht, um seine Familie vor sich selbst zu retten. Und er tut das sicherlich nicht für mich.
Er tut das für Christina. Heute Nachmittag hat er vermutlich ein paar Stunden lang darüber nachgedacht, wie sein Leben wäre, wenn er nicht auf diesem Gelände festsäße. Er hat mir erzählt, dass er rauswollte, um Medizin zu studieren, es aber nicht durfte. Und heute kam sie und hat ihm einen Einblick in das Leben da draußen gewährt, und das kann er nicht abschütteln. Das muss es sein. Das und die Tatsache, dass sie zehnmal schärfer ist als jedes Mädchen auf dem Gelände.
Wie auch immer. Scheiß drauf, ich nehme, was ich kriegen kann.
Er sieht mich mit seinen blutunterlaufenen Augen an. »Du wirst ihnen doch nicht wehtun, oder?«
»Ich geb mein Bestes, um das nicht zu tun, und wenn du mir hilfst, macht es das einfacher.«
»Was ist mit dem Putzzeug?«
Ich blicke auf das Ammoniak hinab. »Ablenkung?«
Er nickt. »Sie sind jetzt alle im Gemeinschaftshaus, die Männer zumindest. Die Frauen sind mit den Kindern nach Hause, es ist ja schon spät.«
»Gut. Kannst du zu Rufus gelangen?«
Er zieht eine Grimasse. »Ich kann den Scanner nicht für dich holen. Wenn sie denken, dass ich ihn genommen habe, wenden sie sich gegen mich. Töten mich vielleicht. Ich werd tun, was ich kann, aber …«
Ich ziehe das Fläschchen mit Valiumpillen aus meiner Tasche. »Du brauchst nicht den Scanner für mich zu holen. Du sollst nur dafür sorgen, dass Rufus tief und fest schläft.«
ZWANZIG
Ich erkläre David meinen Plan und schicke ihn los, um Rufus eine Valium – oder fünf – ins Bier zu werfen. David könnte mich so leicht in eine Falle locken, aber irgendwie weiß ich, dass er das nicht tun wird. Er gibt mir sein Kapuzenshirt und läuft im T-Shirt – wenn die Sonne fort ist, ist das ja nicht gefährlich für ihn – in Richtung Gemeinschaftshaus.
Ich lasse meine Jodkristalle in das Ammoniak fallen. Ich hab das nur mal im Chemieunterricht gemacht, noch nie in dieser Größenordnung, aber wenn es funktioniert, dann ist es genau das, was ich brauche.
Chaos.
Ich bedecke die Flaschen und schleiche durch den Hintereingang der Klinik wieder hinaus. Ich habe noch Zeit, denn es wird mindestens eine halbe Stunde dauern, den alten Mann zu sedieren. Ich glaube nicht, dass Rufus irgendjemandem sonst den Scanner überlässt, aber er wird ihn auch nicht weglegen. Er wird ihn bei sich haben. Ich muss also dafür sorgen, dass er sich nicht von der Stelle rührt und zugleich alle anderen aufgescheucht werden.
Ich entrolle das Küchenpapier und lege zwei Schichten in das hölzerne Gras neben dem Gehweg vor dem Haus. Von innen höre ich Männerstimmen. Es ist wie das Summen wütender Hornissen, das hier und da mal von einem Schrei, einem Fluch durchsetzt wird. Ich wette, sie streiten darüber, wie viele H2 sie bis zum Morgengrauen umbringen können. Genau wie David gesagt hat: Jeder, bei dem Rot aufleuchtet, wird nicht wie ein Mensch behandelt. Er wird wie ein Feind behandelt.
Ich bin gerade dabei, den Inhalt meiner Flaschen über das Küchenpapier zu gießen, als jemand aus dem Vordereingang der Hütte herausstolpert.
Es ist der Hobbit.
Er hat die Hand auf seinem
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