Tatjana
Mafiabosse erwähnt?«
»Keinen bestimmten.«
»Was war mit Abdul? Den Schagelmanns? Ape Beledon? Jeder von denen hegte auf seine Weise einen Groll gegen sie.«
»Kriminelle hegen immer einen Groll«, erwiderte Maxim. »Sie wollen Kaliningrad. Hier gibt es mehr als Bernstein. Autofabriken, Verschiffung, die Baltische Flotte und bald vielleicht Kasinos. Unter der rauen Oberfläche ein ansehnliches Fürstentum.«
»Und all das möchte Alexi Grigorenko als Erbe beanspruchen.«
Ein Mercedes verlangsamte das Tempo aus Respekt, wie es schien, um den Zil überholen zu lassen. In Kaliningrad gebaute BMW s machten wohl den direkten Sprung nach Moskau, während Nissans und Isuzus die umgekehrte Reise von den Pazifikhäfen aus antraten und das Aussehen von Secondhandschuhen hatten.
»Suchen Sie jemanden?«, fragte Arkadi. Maxim blickte immer wieder in die Außenspiegel.
»Bekannte.«
Arkadi nickte zustimmend. »Vielleicht Ihren alten Angelkumpan? Nichts hält einen so auf Trab wie alte Freunde.«
Der Fluss teilte sich bei einer kleinen Insel mit Lindenbäumen, die in Reihen um den spitzen Turm eines Doms standen.
»Für Tatjana wird hier eines Tages eine Statue errichtet werden, wenn wir längst vergessen sind. Die Menschen werden fragen, warum wir nichts getan haben, als sie ermordet wurde. Sie, Renko, tragen die Bürde von uns allen.«
»Darauf würde ich mich nicht sonderlich verlassen«, sagte Arkadi.
»Dann haben wir ein Problem.«
Der Kirchturm stand auf seinem eigenen Lichterbett. Maxim näherte sich im Schneckentempo.
»Unser Dom.« Maxim deutete auf ein Grabmal in einer Ecke. »Unser Philosoph.«
Das Grabmal war aus rauem Stein, umgeben von einem Portikus und einem Gitter aus Schmiedeeisen. Die Scheinwerfer des Zil strichen über eine Plakette mit der Inschrift »Immanuel Kant«.
»Ist das eine mitternächtliche Kulturrundfahrt?«, fragte Arkadi. »Oder kutschieren wir einfach nur herum?«
»Kommen Sie, Sie müssen Kant doch auf der Universität studiert haben«, erwidert Maxim. »Der größte Geist seiner Zeit? Vielleicht der berühmteste Philosoph aller Zeiten? ›Vernunftbegabte Wesen‹. ›Kategorischer Imperativ‹.«
Maxim fuhr weiterhin langsam zwischen den Bäumen hindurch und wendete am schmalen Ende der Insel.
»Ich verlasse mich auf Ihr Wort«, sagte Arkadi.
»Oder ›Der fragende Mörder‹. Selbst wenn ein Mörder nach dem Aufenthaltsort von jemandem fragt, den er töten will, gebietet es die Ehrlichkeit, ihm die Wahrheit zu sagen.«
»Ich fürchte, das ist mir zu hoch.«
»Aber vielleicht war der alte Knabe auch krank«, fügte Maxim hinzu. »Inzwischen glauben Ärzte, Kant habe womöglich einen Hirntumor gehabt. Er wies die entsprechenden Symptome auf. Verlust des Sehvermögens, Verlust gesellschaftlicher Hemmungen, Schwindelanfälle. Wir übernehmen unsere moralischen Werte von einem Mann, der dabei war, verrückt zu werden.«
Einem hellen Licht folgte ein Schubsen. Arkadi drehte sich um und sah einen schwarzen Mercedes- SUV auf der hinteren Stoßstange des Zil aufsitzen. Der Zil machte einen Satz nach vorn und pflügte durch ein Blumenbeet auf einen Weg am Fluss. Als der SUV längsseits kam, sah Arkadi einen Mann am Steuer und zwei auf dem Rücksitz. Maxim brüllte und deutete auf das Handschuhfach. Arkadi zog daran, schlug und trat darauf, aber das Handschuhfach klemmte. Der SUV schob sich vor, bis er den richtigen Winkel erreichte, um den Zil vom Weg ab auf das Wasser zuzuschieben. Maxim blieb nichts anderes übrig als anzuhalten. Zwei Männer sprangen aus dem Mercedes, beide mit Halbautomatikpistolen. Sie stellten sich neben den Zil, erhellten das Auto mit Mündungsfeuer, bohrten Löcher in dessen Türen, überzogen die Windschutzscheibe und die Fenster mit Sternmustern und brüllten: »Willst du mich verarschen? Sag Hallo zu meinem kleinen Freund.«
Die Sache war in Sekundenschnelle vorbei. Ihre Magazine waren leer. Einen Moment standen sie zufrieden da, bis der Zil wieder zum Leben erwachte. Kein Schuss hatte das kugelsichere Innere des Wagens durchschlagen. Die Fenster hatten sternförmige Risse, waren aber nicht zersplittert. Schwer wie ein Panzer setzte der Zil auf den Weg zurück und verpasste dem anderen Auto eine Breitseite, noch während die Möchtegernattentäter stolpernd und fallend hineinhechteten. So schnell er konnte, setzte der Mercedes zurück und raste davon, am Philosophengrab vorbei.
23
S chenja und Lotte erwachten auf der Couch, um festzustellen, dass
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