Tatjana
natürlich der Anwalt.«
Alexi war kein typischer Gangster. Er hatte eine gesunde Bräune, gestyltes Haar und trug seinen Maßanzug eher nachlässig. Ein Mann, dachte Arkadi, der in einen Fitnessklub gehört und mehr als fünfzig Meter schwimmen kann, ohne abzusaufen. Alexi beugte sich vertraulich vor.
»Was verfolgen Sie, Renko? Wie ich höre, suchen Sie jetzt nach vermissten Leichen. Glauben Sie, dass hier eine auftauchen wird?«
»Man kann nie wissen. Letzten Monat wurde ein Mann direkt hier an diesem Tisch erschossen. War er ein Freund von Ihnen?«
»Ich kannte ihn.«
»War er auch aus Kaliningrad?«
»Glaube schon.«
»All diese Leute aus Kaliningrad. Vielleicht ist es eine Sache der Perspektive. Ich habe mal eine Geschichte über einen Mann gelesen, der sich in eine einbeinige Rothaarige verliebt hat und von da an überall einbeinige Rothaarige sah.«
Anja mischte sich ein. »Wir würden dich ja bitten, bei uns Platz zu nehmen, aber wir wissen, wie sehr du damit beschäftigt bist, Geister zu jagen.«
Arkadi zog sich einen Stuhl heran. »Nein, nein, ich habe alle Zeit der Welt. So ist das mit Geistern. Die sind immer da.«
Auf ein Nicken von Alexi brachte ein Kellner ein weiteres Glas. Was für ein Service! Arkadi dachte, wie gut es war, ein Mafiaboss zu sein, bis man erschossen wird.
Er war interessiert daran, wie Anja mit dieser Begegnung umging. Ihm fiel eine honigfarbene Bernsteinkette auf, die sie um den Hals trug.
»Sehr hübsch.«
»Ein Geschenk von Alexi.«
»Sehen Sie es sich genauer an«, sagte Alexi. »Im Mittelstück werden Sie eine Mücke entdecken, die vor sechzigtausend Jahren eingeschlossen wurde.«
»Sogar länger, als du Ermittler bist.« Anja blies Rauch in Arkadis Richtung.
Die ernsthafte Journalistin Anja war anscheinend durch Anja, die Gangsterbraut, ersetzt worden. Arkadi verstand nicht, warum Anja Zeit mit einem Möchtegernmafiaboss wie Alexi verschwendete, obwohl sie doch einen welterschütternden Artikel über Tatjana schreiben sollte.
»Anja und Sie sind wohl alte Freunde«, sagte Alexi.
»Unsere Wege haben sich gekreuzt.«
»Das hat Anja erwähnt.« Alexis Lächeln war wie ein Angelhaken im Mund. »Stimmt es, dass Sie keine Waffe tragen? Aus welchem Grund?«
»Ich bin faul.«
»Nein, mal ehrlich.«
»Na ja, als ich eine trug, habe ich sie nur selten benutzt. Und sie macht einen dumm. Man hört auf, über Alternativen nachzudenken. Die Waffe will keine Alternativen.«
»Aber Sie wurden angeschossen.«
»Das ist der Nachteil.«
»Prost!«, sagte Anja.
Sie tranken, lauschten auf den Donner und schenkten einander nach, als wären sie alte Freunde, die vor einem Gewitter Schutz gesucht hatten. Ein Kellner kam mit Speisekarten vorbei.
»Wissen Sie, ich habe hier noch nie gegessen. Empfehlungen?«, fragte Alexi an Arkadi gewandt.
»Warten Sie auf meinen Partner, Leutnant Orlow. Er ist Feinschmecker. Also, Alexi wer hat Ihrer Meinung nach Ihren Vater ermordet?«
»Sie sind sehr unhöflich für einen Mann ohne Waffe.«
»Ich frage mich einfach nur, wie Sie die weit gefächerten Geschäftsinteressen Ihres Vaters übernehmen wollen.«
»Ich werde allem eine echte Geschäftsgrundlage verschaffen. Dieses Land wird wie ein arabischer Basar geführt. Es muss Regeln und Normen geben. Wie kann es Investitionen geben, wenn es keine Zukunft gibt, und wie kann es eine Zukunft geben, wenn es keine Ehrlichkeit gibt?«
»Alexi hat Pläne«, sagte Anja.
»Mein Vater war ein großartiger Mann, daran gibt es keinen Zweifel, doch ihm fehlte eine Geschäftsstrategie, ein Generalplan. Das werde ich ändern.«
»Aber zuerst ein wenig Rache?«
Alexi trommelte leise mit den Fingern auf dem Tisch.
»Dein Freund macht Witze«, meinte er zu Anja.
»Ich mache Witze«, bestätigte Arkadi.
»Weil Sie eifersüchtig sind«, sagte Alexi. »Sie sehen Ihre schöne Frau mit mir, und Sie sind eifersüchtig. Cherchez la femme , richtig?«
»Er ist hinter einer anderen femme her. Jemand, den er verloren hat«, sagte Anja.
»Jemand, den ich kenne?«
»Tatjana Petrowna.«
»Die Journalistin? Wie ich hörte, ist sie aus dem Fenster gesprungen.«
»Arkadi hat einen düsteren Verdacht«, erklärte Anja.
»Sind Sie ihr je begegnet?«
»Ich weiß nur, dass sie eine Menge Lügen über meinen Vater geschrieben hat. Vermutlich hat sie bekommen, was sie verdiente.«
»Dann glauben Sie auch nicht, dass es Selbstmord war«, stellte Arkadi fest.
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Natürlich
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