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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cruz Smith
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besser klang.
    »Du warst also auch noch spät auf.«
    »Hab Tatjana zugehört. Ich fand ein paar alte Kassetten in ihrer Wohnung.«
    »Manchmal glaube ich, dass du lieber Geistern zuhörst als den Lebenden.«
    »Kommt darauf an.«
    »Und jetzt hast du zu den Geistern noch die heilige Tatjana. Vielleicht solltest du beten.«
    »Was mir mehr helfen würde als Gebete, ist das Notizbuch, das Tatjana aus Kaliningrad mitgebracht hat.«
    »Komisch. Alle wollen es haben, und niemand kann es lesen.«
    »Ich würde es gern versuchen.«
    Sie öffnete ihre Handtasche und holte das Spiralheft heraus, das Obolenski ihm gezeigt hatte. »Nur für dich, der Heilige Gral.«
    »Du hast es gelesen?«
    »Immer wieder.«
    »Darf ich?«
    »Nur zu.«
    Die Seiten waren mit rätselhaften Symbolen gefüllt. Zwischen den schwarzen Deckeln befanden sich geometrische Formen, eine Liste mit Zahlen und Skizzen von einer Katze.
    Anja nahm ihren Mantel. »Mir persönlich ist ein Hitzkopf lieber als ein Eisklotz.«
    Er hörte das entschiedene Klacken ihrer Schuhe und vielleicht das Wort »Idiot«, als sie die Tür schloss.
    Jedes Mal, wenn Arkadi in die Universität kam, konnte er nicht anders, als seinen Fortschritt im Leben an dem frühreifen Studenten zu messen, der er gewesen war. Wie vielversprechend! Als Teil der »Jeunesse dorée« und Sohn eines berüchtigten Generals hatte er es mühelos an die Spitze geschafft. Inzwischen sollte er stellvertretender Minister sein oder mindestens Staatsanwalt, Herrscher seines eigenen Reviers und mit dem Rüssel tief in den öffentlichen Futtertrögen. Irgendwie war er abgeschweift. Fast alle Fälle, die bei ihm landeten, wurden durch Wodka befeuert und endeten mit einem betrunkenen Geständnis. Bei Verbrechen, die Planung und Intelligenz aufwiesen, folgte allzu oft ein Anruf von oben mit der Anweisung, er solle »Nachsicht walten lassen« oder »keinen Wirbel machen«. Statt sich dem zu beugen, wehrte er sich und sorgte auf diese Weise für seinen Abstieg von früher Verheißung zum Paria.
    Eine Ausnahme in der allgemeinen Enttäuschung war der emeritierte Professor Kunin, ein betagter Bilderstürmer, der in seinem Büro eine Sauerstoffflasche mit Atemschlauch hinter sich herzog. Als Linguistikexperte war er einst dafür verhaftet worden, Esperanto zu sprechen, was zu Sowjetzeiten als konspirative Sprache galt. Arkadi hatte den Richter davon überzeugt, dass der Professor Portugiesisch sprach.
    »Verzeihen Sie, mein lieber Renko, dass mein Büro so unordentlich ist. Dahinter steckt ein System, das kann ich Ihnen versichern. Bei all diesen … Schaubildern und Tafeln … kann ich nicht mal das Fenster sehen. Ich weiß, dass hier irgendwo eine Flasche Kirschlikör ist.« Sein hilfloses Wedeln bezog Diagramme, Audiogeräte und Fotos von kleinen braunen Menschen mit übergroßen Bogen und Pfeilen mit ein. Zwei Blaukopfaras in getrennten Käfigen legten skeptisch den Kopf schräg und blinzelten Arkadi aus ihren Saphiraugen an.
    »Haben sie Namen?«, fragte Arkadi.
    »Fuck off«, sagte der eine Vogel.
    »Piss off«, sagte der andere.
    »Bringen Sie die bloß nicht in Schwung«, bat Kunin. »Schlimm genug, dass der Regenwald, aus dem sie kamen, geplündert wurde … von internationalen Unternehmen … Abholzung am Amazonas, verlorenes Paradies. Meine Schaubilder sind praktisch Grabsteine … Gott sei Dank gibt es DNA … Zum Beispiel, wer, zum Teufel, sind die Lappen? In Wirklichkeit?«
    »Eine gute Frage. Haben Sie fünf Minuten, um sich das hier anzuschauen?« Arkadi zog das Notizbuch heraus.
    »Ah, wie Sie am Telefon erwähnten. Ihr Beweisstück.« Der Professor schob Bücher von seinem Schreibtisch, um Platz zu schaffen. »Sie haben Glück. Ich habe eine Untersuchung zu ›Übersetzung‹ durchgeführt, um herauszufinden, ob uns das etwas über die Grundlage der Sprache sagt. Die grundlegenden Wörter. Mutter. Vater.«
    »Mörder?«
    »Sie merken, worauf ich hinauswill. Denn jeder Übersetzer, jeder Dolmetscher erschafft seine eigene Sprache.«
    »Ah ja.«
    »Sie werden schon sehen.« Kunin sog Sauerstoff ein und betrachtete die Seiten. »Ich kann Ihnen gleich sagen, dass eines seltsam ist. Für gewöhnlich schreibt ein professioneller Dolmetscher als Erstes den Namen der Veranstaltung, die beteiligten Personen sowie Datum und Ort, an dem die Notizen gemacht wurden, auf den Umschlag. Ebenso seinen Namen, Handynummer und E-Mail-Adresse, falls das Notizbuch verloren geht oder gestohlen wird. Vielleicht auch das

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