Tatort Mallorca - Die Tote in der Moenchsbucht
über den Himmel, und in den Bergen ging ein Unwetter nieder. Keine guten Voraussetzungen, schoss ihr in diesem Moment durch den Kopf.
Hinzu kam, dass Gunter überaus skeptisch den Kopf schüttelte, als sie ihm davon erzählte. „Eine Séance im Landhaus der Schamanen?“ Eindringlich bat er sie, sich die Sache nochmals zu überlegen. Nur zu gern wäre sie seinem Rat gefolgt. Immerhin, Julia war dankbar, als er ihr anbot, einen Taxifahrer ausfindig zu machen, der sie gegen 23 Uhr im Landhaus abholen und von dort nach Galilea bringen würde. Anschließend könnten sie mit ihm und der Gruppe nach Peguera zurückfahren, schlug er vor. Das alles beruhigte nur ein wenig. Noch immer hat sie Gunters zweifelnde Frage im Ohr: „Ist das wirklich dein Ernst? Ich weiß nicht ...“
„Für meine Freundin Ulla hängt sehr viel davon ab. Ich kann sie doch nicht hängen lassen, ihr Projekt in Kalabrien ...“, hat sie geantwortet.
Aber ist dies allein der Grund für ihre Zustimmung gewesen? Ist nicht auch Neugier mit im Spiel? Oder? Was sonst? Ihr fällt ein, dass sie in dem Moment, als der Meister sie um ihr Einverständnis bat, irgendwie gar nicht anders als mit Ja antworten konnte.
Die Serpentinenstraße wirkt im Dunkeln fremd. Immerhin ist das Gewitter vorbei. Die Kiefern treten ab und an aus dem Schatten, um wie Geister dann wieder zu verschwinden. Kleine Leuchtpünktchen huschen über die Fahrbahn, das Auto wirkt wie ein Käfig.
Als würde Hetyei ihre Ängste spüren, schaut er Julia im Rückspiegel an: „Die Kurvenstrecke haben wir bald hinter uns. In wenigen Minuten erreichen wir Galilea.“
„Ich war gestern mit meiner Wandergruppe in Galilea“, beeilt sich Julia mit fester Stimme zu sagen.
„Ein komischer Name ...“, steuert Ulla, die neben dem Meister sitzt, bei. Ihr Satz bleibt unvollendet. Hinter der nächsten Kurve erscheinen unvermittelt vor ihnen auf der Straße Männer mit Fackeln. Hetyei bremst abrupt und bringt den Wagen zum Stehen. Mit hohen Kapuzen verhüllte Gestalten schreiten in langen weißen Gewändern den Berg hinauf. Eine Prozession. Ein Kirchenlied weht in das Innere des Fahrzeuges. Die dunklen, tiefen Bassstimmen singen einen gleichförmigen Kanon, der einer Beschwörung gleicht. Immer zwei der vermummten Gestalten gehen nebeneinander im Gleichschritt, dann wieder zwei und wieder zwei. Die Flammen der Fackeln werden vom Wind in Richtung Berg geweht. Durch die Schrittbewegung schwankt der Feuerschein von einer Seite zur anderen und taucht die aufwärts führende dunkle Bergstraße in ein geheimnisvolles Licht.
Ulla, Julia und der Meister sind ausgestiegen, und Julia kann jetzt auch die Spitze des Zuges erkennen. Im Fackelschein schwankt ein Gestell hin und her, das von vier Männern ohne Kapuzen getragen wird. Davor geht der Priester. Sein glitzerndes Ornat blinkt kurz auf, als der Zug in die Kirchenzeile einbiegt, um dann hinter den niedrigen Häusern zu verschwinden.
„Wir können gleich weiterfahren, bitte steigen Sie wieder ein“, bedeutet Hetyei ihnen, und langsam fahrend schließen sie sich dem Zug an und schleichen im Schritttempo den Berg hinauf, bis die letzte Reihe der Prozession am Straßenabzweig angekommen ist und weiter nach oben zur Kirche geht und sie wieder freie Fahrt haben. Allerdings müssen sie sich jetzt noch an diversen Fahrzeugen, die am Straßenrand geparkt sind, vorbeischlängeln, bevor sie die Landstraße wieder für sich haben.
Die Dunkelheit überfällt sie geradezu, als sie bald darauf von der Hauptstraße abbiegen und eine kleine Zufahrtsstraße hinunterfahren. Nach einer Weile kann Julia oben wieder Galilea sehen. Wie eine helle Krone leuchtet der Hügel mit der Kirche gegen den dunklen Himmel.
Kurze Zeit später erreichen sie das Tor zum Landhaus. Julia fährt mit der Hand über die Hautabschürfung am Handgelenk, das Andenken an den Brombeerbusch, der jetzt dahinten irgendwo unschuldig in der Nacht wartet. Ein wenig Mondlicht erhellt die Auffahrt, und das Gitter wirft einen länglichen Schatten. Beim Haus steigen sie aus. Einige Räume sind beleuchtet. Als sie auf den Eingang zulaufen, flammt über ihnen eine Lampe auf und wirft auf die Stufen zum Haus ein gelbliches Licht. Julia drückt Ullas Hand. Sie ist kalt und schweißnass. Erst jetzt fällt Julia auf, dass Ulla entgegen ihrer quirligen Art während der ganzen Fahrt, bis auf ihre kurze Bemerkung zu Galilea geschwiegen hat. Julia gesteht sich ein, dass sie in ihre Gedanken derart eingesponnen
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