Tatort Mosel
Profil.«
»Meine Nase ist zu groß?«
»War Kleopatras Nase zu groß?«
»Das war eine Makedonierin.«
»Weiß ich auch, aber mir fällt im Moment keine römische Frau ein, mit der ich dich vergleichen könnte.« Er überlegte. »Vielleicht Kaiserin Agrippina oder Theophanu.«
»Agrippina soll Köln gegründet haben, und Theophanu geht nicht mehr als römische Kaiserin durch. Das war die Gattin von Otto II.«
»Okay. Ich hab vergessen, dass du als Stadtführerin über ein ausgeprägtes Geschichtswissen verfügst. Aber zurück zu Agrippina und Theophanu, die haben sicherlich auch nicht schlecht ausgesehen. Ich wollte keinen fahrlässigen Vergleich ziehen und lieber mit Kleopatra auf Nummer sicher gehen.«
»Das hast du schön gesagt.«
»Gedacht, du wolltest wissen, was ich denke.«
*
»Ja, Kurz?« Wie immer war es Frau Kurz, die sich am Telefon meldete.
»Fellrich, hallo, Frau Kurz, wie geht’s, was macht der Garten?« Fellrich interessierte nicht die Bohne, wie es dem Garten oder Frau Kurz ging.
»Danke, gut«, beantwortete sie den ersten Teil der Frage. »Für die Gartenarbeit ist es noch zu nass. Ich warte noch ein, zwei Wochen, aber Sie wollen sicher meinen Mann sprechen, ich ruf ihn.«
»Hallo!«, Kurz klang verschlafen.
»Sorry, hab ich dich aus dem Mittagsschlaf geweckt?«
»Ich wollte sowieso gleich aufstehen, sonst komm ich heute Abend nicht mehr ins Bett, was gibt’s?«
»Die Kacke ist am Dampfen. Schorsch ist verhaftet worden.«
»Warum? Wann?«
»Haupenberg hat mich angerufen. Sie haben Schorsch heute Morgen total besoffen aus seinem Benz gezogen und ohne Befragung mitgenommen.«
»Da muss er sich einen Chauffeur …«
»Ich rede von Schorsch!«
»Klar doch.« Kurz versuchte, wach zu werden. »Ist das eine Kacke!«
»Das kannst du laut sagen.«
»Was nun?« Kurz rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Haupenberg wird sich um ihn kümmern. Er wird dabei sein, wenn Schorsch von der Polizei vernommen wird. Schorsch sucht einen neuen Job.«
»Was hat das mit mir zu tun?«
»Na, hör mal, du hast doch ein paar Hundert Leute in der Zeitung beschäftigt.«
»Ja, was soll ich mit …« Kurz brach ab. Wenn er, was selten genug vorkam, einen Mittagsschlaf hielt, war er danach meistens schlecht gelaunt. Jetzt begann auch noch sein Magen zu rumoren. »Ich seh mal, was sich machen lässt, was ist mit dir und den anderen?«
Fellrich hatte mit dieser Frage gerechnet: »Deshalb ruf ich ja an. Bei mir werden seit Monaten nur Leute entlassen, da ist nichts drin. Haupenberg braucht bis morgen früh etwas in der Hand, das er Schorsch anbieten kann.«
»Ich denk darüber nach. Übrigens war einer von der Kripo gestern bei mir.«
»Und?«, fragte Fellrich.
»Nichts und. Ich hab ihm gesagt, was er wissen wollte. Er hat ein paar von Räumers Ordnern mitgenommen.«
»Wie bitte?«
»Aus der Geschäftsstelle.«
»Hatte er denn einen Durchsuchungsbeschluss?«, fragte Fellrich konsterniert.
»Quatsch, den brauchte er nicht, ich will doch auch, dass der Kerl geschnappt wird, der Räumer … Außerdem ist in den Ordnern nichts, was nicht jeder wissen darf.«
*
Sie waren erst wenige Meter gefahren, als Doris erneut abbremste und ihr Rad an einer verfallenden Weinbergsmauer abstellte. In einem verwilderten Weinberg hingen noch die Trauben vom letzten Herbst, zu dunklen Beeren geschrumpft. Walde pflückte eine Dolde ab. Er hatte erwartet, dass die Beeren sich wie Rosinen anfühlten. Aber es waren nur noch trockene Schalen, die zwischen seinen Fingern zerbröselten.
»Ob die Leute gestorben sind?«, fragte Doris. »Dass sie die Trauben in dieser guten Lage nicht geerntet haben.«
Die Reben waren zurückgeschnitten, die Arbeiten des ganzen Jahres erledigt, bis auf die Lese.
»Vielleicht haben sie die Trauben für eine Trockenbeerenauslese oder Eiswein hängen lassen«, vermutete Walde. »Und dann hat die Witterung nicht mitgespielt.«
Unterhalb des Weges stand eine alte Holzhütte inmitten des Weinbergs. Walde kletterte den steilen Hang über Schieferplatten, zwischen denen dürres Gras sprießte, hinab. Die Tür war nur angelehnt. Neugierig trat er ins Innere. In den spartanisch eingerichteten Raum fiel Licht durch ein offenes Fenster an der Südseite. Das schlichte Mobiliar bestand aus einem groben Holztisch, einer Bank, zwei Holzstühlen und einem Ofen. Walde wischte mit der Hand über die Sitzfläche von einem der beiden Stühle und nahm darauf Platz. Durch das Fenster bot sich ihm ein ebenso
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