Tatort Mosel
gefüllt, zurzeit fünftausend Flaschen in der Stunde, in drei Schichten rund um die Uhr.
»Darüber reden wir später.« Hirschner schaute erst gar nicht nach, ob auf dem kleinen Parkplatz noch etwas frei war. Er ließ den Wagen direkt vor dem Eingang des Le coq rouge in der schmalen Gasse zum Moselufer stehen.
*
Hirschner übergab dem Kellner, der sie zu ihrem Tisch führte, den Autoschlüssel.
So wie Richard Gere in seinem Lieblingsfilm war er in diesem Restaurant ein besonderer Gast. Gerard, der einzige mit drei Sternen dekorierte Koch der Stadt, war seit langem darauf bedacht, dass kein Zucker, besonders keiner der heimtückisch versteckten, in Hirschners Speisen gelangte.
Hirschner bestellte zwei Menüs, für seinen Gast einen ausgezeichneten Wein und für sich ein Wasser.
Vom Nebentisch drangen Satzfetzen in französischer Sprache herüber. Hirschner hörte einen afrikanischen Akzent heraus. Als er sich unauffällig umschaute, sah er drei dunkelhäutige Männer mittleren Alters in einer Tischrunde mit Leuten, von denen ihm zumindest eine der beiden Frauen bekannt vorkam. Hirschner aß eine Vorspeise, der man nicht ansah, dass sie für einen Diabetiker zubereitet war. Wenn es eine Ironie des Schicksals gab, dann traf sie auf Hirschner zu. Der große Weinkommissionär, der vor Jahren die gesamte Branche in eine tiefe Krise gestürzt, den die Bildzeitung den Zuckerkönig der Mosel genannt hatte, er litt an einem spät diagnostizierten, schweren Diabetes mit allen damit verbundenen Unannehmlichkeiten, wobei die täglichen Injektionen noch zu den geringsten Übeln zählten.
»Wir kaufen nur noch in Italien«, nahm Hirschner das Gespräch von vorhin wieder auf. »Da müsstest du perfekt Italienisch sprechen.«
»Aber dafür kann ich Französisch, ich war lange genug beim französischen Militär. Ich könnte doch vielleicht für Sie in der Médoc was machen?«
Hirschner überlegte, ob die Fremdenlegion wirklich offiziell zum französischen Militär gehörte.
Der Wein wurde serviert. Schorsch probierte und nickte dem Kellner anerkennend zu. Das gab Hirschner Zeit zum Nachdenken.
»Du weißt, wie sensibel die Franzosen sind. Da gab es doch schon einen Skandal, weil einer Weine aus einer anderen Lage zugekauft und als Médoc-Weine deklariert hatte.«
*
»Hallo Herr Hirschner, schön Sie zu treffen.« Stiermann hatte mit dem Rücken zum Tisch seines Lions-Club-Bekannten gesessen und stand jetzt auf, um ihn und seine Begleitung zu begrüßen: »Ich habe Sie vorhin gar nicht gesehen.«
»Ich Sie leider auch nicht.« Hirschner schüttelte dem Polizeipräsidenten die Hand und stellte ihm Schorsch als Geschäftspartner vor. Hirschner unterließ es, Schorsch mitzuteilen, dass es sich bei Stiermann um den Polizeipräsidenten handelte.
Stiermann, der sich an seinem Tisch längst nicht der Beachtung erfreute, die ihm, wie er meinte, zustand, hatte es nicht eilig, wieder dorthin zurückzukehren. Er genoss es, Polizeipräsident hin oder her, mit dem Mann gesehen zu werden, der zu den reichsten und einflussreichsten in der Region, wenn nicht der ganzen Mosel, gehörte: »Sie sind öfter hier?«
Hätte Hirschner dem Polizeipräsidenten gesagt, dass er fast täglich hier speiste, hätte das als kleine Provokation gewertet werden können.
Er konnte noch nicht einmal sagen, ob ihm der Laden gehörte. Dazu müsste er seinen Steuerberater, seinen Notar oder seinen Wirtschaftsberater fragen, falls es ihn interessiert hätte. Ihm fiel ein, dass Niko Haupenberg um Rückruf gebeten hatte.
»Wenn sich eine Gelegenheit wie heute bietet und ein Gast bewirtet werden soll, komme ich sehr gerne hierher.« Hirschner nickte dabei Schorsch zu, der keine Reaktion zeigte.
»Dann will ich nicht länger stören, wir haben eine Delegation aus unserem Partnerland Ruanda zu Gast.«
*
Schon nach der Suppe sprachen die beiden dunkelhäutigen Kollegen kräftig dem Wein zu. Gabi und ihr Tischnachbar legten sich ebenso wenig Zurückhaltung auf und waren bald in eine angeregte Unterhaltung vertieft, an der sie die übrige Gesellschaft nicht teilhaben ließen.
Gabi kicherte fast ununterbrochen, während sie sich mit dem afrikanischen Kollegen unterhielt. Schien es Walde nur so oder waren sie näher zusammengerückt? Sein Telefon klingelte. Alle am Tisch unterbrachen ihre Gespräche und sahen ihn erwartungsvoll an.
»Bock, hallo!«
»Wo steckst du?«, fragte Doris.
Mist, er hatte völlig vergessen, ihr zu sagen, dass es später werden
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