Tatort Mosel
würde. Noch immer waren alle Augen auf ihn gerichtet.
»Eh, ich bin noch auf der Arbeit, also im Dienst.« Walde deutete mit einer Handbewegung an, dass es sich nicht um den erwarteten Anruf der Kollegen an der Mosel handelte, was inzwischen sowieso allen deutsch sprechenden Personen am Tisch klar war.
»Ich hab bei dir im Büro angerufen, da warst du nicht«, sagte Doris, »hoffentlich störe ich nicht.«
»Nein, ich habe kurzfristig einen Termin dazwischen geschoben.«
»Kommst du überhaupt noch?«
Die anderen hatten ihre Gespräche wieder aufgenommen. Gabi lachte. Gläser und Bestecke klirrten.
»Nein, ich glaube, es wird länger dauern.«
»Wo bist du überhaupt?«
»Im Le coq rouge.«
»Mhm.«
»Ich erzähle es dir morgen.«
»Tu das, falls nicht noch mal etwas dazwischen kommt.« Doris hatte aufgelegt.
Walde schnitt das letzte Stück Fleisch in zwei Teile und schob sich eines davon in den Mund. Dann legte er Messer und Gabel nebeneinander auf den Teller.
»Aha, dein Anstandsrest.« Gabi warf einen missbilligenden Blick auf Waldes Teller.
Der nahm Messer und Gabel erneut auf und teilte das Stück wiederum. Dabei wurde ihm bewusst, dass auf diese Weise abermals ein Rest übrig blieb.
»Du solltest das mal zum Thema in deiner Männergruppe machen«, Gabi sprach noch etwas lauter, als das normalerweise schon der Fall war. »Ist doch immer mittwochs, wo ihr vorgebt, Musik zu machen. Da ist doch auch dein Freund Uli dabei.«
»Aber ich nicht mehr«, zischte Walde.
»Aha!«
»Was heißt Aha?«
»Läßt dich Doris nicht weg, weil du sie heute versetzt hast?«
»Ich werde vielleicht am Mittwoch Musik machen, nur nicht mit Uli, sondern im Jazzclub bei der Session.«
Wieder klingelte Waldes Telefon. Diesmal war es Meier. Das Messschiff hatte einen Kilometer unterhalb der Kaiser-Wilhem-Brücke einen Gegenstand geortet, der die Ausmaße eines Pkws hatte. Die Bergung wurde bereits eingeleitet.
*
Hirschner beobachtete, wie sein Gegenüber es sich schmecken ließ. Schorsch tat sich nach diversen Vorspeisen gerade an einer Fischplatte gütlich. Auch beim Wein langte er kräftig zu.
»Ich denke, von der Weinbranche solltest du ein für allemal die Finger lassen.« Hirschner wollte seinem Gast keine falschen Hoffnungen machen.
»Ja, ja, die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen«, brummte Schorsch.
»Du kannst dich auf mich verlassen. Gib mir ein wenig Zeit, dann wird sich was finden.«
»Das haben die anderen auch gesagt.« Schorsch schob sich eine volle Gabel in das finstere Gesicht.
Auf dem Weg zur Toilette, zu der ihn ein Kellner über die dicken Teppiche begleitete, wünschte sich Hirschner einen weiteren, der dafür zuständig wäre, Schorsch eine Dosis Strychnin in den Nachtisch zu mischen.
In der Kabine überprüfte er seine Werte. Alles war im grünen Bereich. Er nahm das Mäppchen mit dem Spritzbesteck aus seiner Tasche und setzte sich einen Schuss in eine der Bauchfalten. Dort war es weniger schmerzhaft als am Oberschenkel.
Zurück am Tisch bestellte Hirschner einen trockenen Wein mit minimaler Restsüße, der auch für Diabetiker geeignet war. Er probierte ihn mit Kennermiene. Fast hätte er eine Grimasse gezogen, mit solcher Wucht traf die Säure seine Geschmacksnerven.
»Brauchst du Geld?«, fragte Hirschner.
»Ich brauch alles. Arbeit, Wohnung, Geld.«
Geld bedeutete Hirschner immer weniger. Früher hatte er Statistiken geliebt, Prognosen aufgestellt, Rentabilitäten ermittelt, Zukunftsperspektiven aufgestellt. Heute konnte Hirschner es beim besten Willen nicht mehr schaffen, sein Geld auszugeben, so viel war schon da und so schnell floss weiteres ins Haus.
*
Seit Meiers Anruf wurde Walde immer unruhiger. Er versuchte sich dadurch abzulenken, dass er den Ausführungen seiner inzwischen sturzbetrunkenen afrikanischen Kollegen zuhörte. Gerade ließen sie sich über ihre Uniformen aus, die sie im Dienst trugen.
Walde bemerkte, dass Stiermann sich bemühte, mit ihm Blickkontakt aufzunehmen.
»Herr Bock, lassen Sie sich nicht aufhalten, wenn Sie es für nötig halten …«, der Polizeipräsident unterbrach, weil eine Kellnerin den Nachtisch servierte, »… was nicht heißen soll, dass Sie …« Er deutete auf seinen Dessertteller, auf dem eine filigrane Eiskreation mit Früchten angerichtet war.
Walde nickte dem Präsidenten zu: »Danke.«
Das unvermeidliche »See You« des Präsidenten klang noch in seinen Ohren, als Walde auf den Uferdamm stieg. Die
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