Tatort Mosel
zusammenzuckten: »Guck dir an, was das Programm macht, du Arschloch, erzähl mir nie mehr etwas von dem Programm, benutz lieber das Ding, das du da zwischen deinen Schultern trägst, sonst kannst du von mir Programm gemacht haben. Das da sind vier Millionen Blatt, an die für nichts und wieder nichts Farbe geschmiert wurde.«
Kurz drehte sich um. Sein Kopf war puterrot. »Wer von der Tagesschicht meint, er bekäme heute Nacht nur eine Minute bezahlt, der braucht auch nicht mehr auf den Betriebsrat zu hoffen.«
Er sah auf die Uhr. »Um elf sind die Maschinen auf die Donnerstagszeitung umgerüstet! Verstanden?«
Kurz marschierte mit eingezogenem Kopf und dem Blick eines Napoleon, der auf seine Truppen sauer war, durch die Halle zurück in den Gang. Erst als er sich in Höhe der Kantine befand, wurden hinter ihm die Maschinen wieder auf volle Touren hochgefahren.
*
»Wo bleibst du denn?«, fragte Gabis unverhohlen genervt klingende Stimme in Waldes Handy.
»Waren wir für heute Abend verabredet?«, fragte Walde zurück.
»Nein, aber wir haben den Geschäftsführer!«
»Bin in fünf Minuten da.« Walde legte einen Schein auf die Theke.
»Sehen wir uns nachher bei der Session?«
»Keine Ahnung, sieht nicht danach aus.«
»Ist was passiert?«, fragte Uli.
»Kein neuer Mord, wenn du das meinst.«
Im Präsidium traf Walde auf die ganze Mannschaft. Es schien, als hätte man schon länger auf ihn gewartet. Auf dem Besprechungstisch stand ein Sammelsurium aus leeren Kaffeetassen, Tellern, Aschenbechern und daneben eine von Weilers schwarzen Monstertaschen.
Seine Kollegen schauten mehr oder weniger aufmerksam dem Profiler zu, der etwas auf die Flipchart kritzelte.
»Lassen Sie sich nicht stören«, sagte Walde zu Weiler.
»Ich bin fertig.« Weiler kam, einen langen Filzstift wie einen Taktstock haltend, zum Tisch zurück.
»Wo ist er?«, fragte Walde.
»Wenn du den Geschäftsführer meinst, der liegt seit drei Wochen im Krankenhaus«, antwortete Grabbe.
»Und?«
»Genau seit dem 25. März ist er in der Schwesterklinik in stationärer Behandlung.«
»Weshalb haben wir das nicht früher erfahren?«
»Der Verwaltung ist ein Schreibfehler unterlaufen, Ströble statt Ströbele oder so.« Grabbe stöhnte. »Ein wenig Phantasie könnte manchmal nicht schaden. Seine Krankmeldung ist erst heute im Büro des Aktivkreises angekommen. Kurz hat ihn angerufen und daraufhin hat sich Ströbele hier gemeldet.«
»Was fehlt ihm denn?«
»Keine Ahnung, das sollten wir ihn persönlich fragen. Wie es aussieht, kommt er höchstens für den ersten Mord in Frage, beim zweiten war er in der Klinik.«
»Was nun?«, fragte Walde.
»Es scheint sich der Verdacht zu erhärten, dass ich nicht vergeblich hier bin.« Weiler klopfte sich mit dem Filzstift an die hohe Stirn. Aus seinem Koffer zog er einen handgeschriebenen Zettel und las vor: »Räumer, das erste Mordopfer, hat Wasser gepredigt, indem er für einen starken Einzelhandel heimischer Prägung eintrat, und Wein getrunken, weil viele seiner Immobilien gezielt an bundesweit operierende Filialisten vermietet wurden. Dass die örtlichen Konkurrenten verdrängt wurden, war ihm egal. Hauptsache, die hohen Mieten wurden bezahlt. Gerade die Filialisten haben in den letzten Jahren besonders auf dem Textilsektor viele alteingesessene Betriebe zum Aufgeben gezwungen. Räumer hat seine Finger in einer Menge krummer Geschäfte gehabt. Allein, was seine Mietobjekte angeht, hat er Hunderttausende an Schwarzgeld gemacht.«
»Das ist bekannt, als Trierer weiß man das, hat sich daran gewöhnt und regt sich nicht mehr besonders drüber auf«, sagte Gabi gelassen.
Weiler schaute verwundert und zog einen weiteren handgeschriebenen Zettel aus dem Stapel: »Fellrich, der zweite Fall, mit dem wir es zu tun haben, hat das Stadtbild nachhaltig verändert. Kein großes Neubaugebiet, wo er nicht seine Finger im Spiel hatte, ja sogar federführend vorgehen durfte. Er hat einen solchen Berg Schulden angehäuft, dass seiner Bank nichts anderes mehr übrig blieb, als ihren Kunden die Wohnungs- und Geschäftsprojekte Fellrichs besonders ans Herz zu legen. Das Ganze kann man sich bildlich am besten vergegenwärtigen, wenn man sich vorstellt, dass Fellrichs Firmenimperium nur noch deshalb aufrechterhalten werden konnte, weil es von überall her gestützt wurde. Ich würde sagen, der hat dem Baulöwen Schneider in nichts nachgestanden, nur mit dem Unterschied, dass er nicht im Gefängnis gelandet
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