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Tatort Mosel

Tatort Mosel

Titel: Tatort Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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diese scheinheiligen Säcke …«
    »Ist denn da nicht auch die Spee-Gruft?«, versuchte Walde vom Thema abzulenken.
    »Den Friedrich Spee heben sie sich heute aufs Schild. Hätten die zu Lebzeiten herausbekommen, dass er das Buch gegen den Hexenwahn verfasst hat, wäre er genauso verbrannt worden wie die sogenannten Hexen und die anderen armen Teufel, für die er sich stark gemacht hat.«
    »Der liegt doch unter der Jesuitenkirche, da habe ich früher ab und an mal beim Schulgottesdienst des Hindenburg-Gymnasiums die Messe gedient.«
    Zu spät bemerkte Walde, dass er nun vom Regen in die Traufe geriet.
    »Hindenburg war nichts weiter als der Steigbügelhalter Adolf Hitlers. Nach dem wurde eine Schule benannt und heißt bis heute noch Hindenburg-Gymnasium. Das ist ein Skandal.« Noch mehr als die Kirche war Uli alles, dem nur ein Hauch von Nationalsozialismus anhaftete, ein Dorn im Auge.
    *
    Kurz schaute zum wiederholten Mal auf die Uhr. Wie lange dauerte das noch, bis der neue Andruck fertig war? Vor den Fenstern seines Eckbüros begann es zu dämmern. Auf der anderen Moselseite war der Strom der Scheinwerfer auf der Ausfallstraße dünner geworden. Die meisten Leute waren längst von der Arbeit nach Hause gefahren. Da wollte er auch schon längst sein, aber ausgerechnet am nächsten Tag musste die Sonderausgabe Bauen und Wohnen erscheinen. Vierzig Seiten, durchgehend vierfarbig, als Einlage. Diesmal war so ziemlich alles schief gegangen, was schief gehen konnte. Murphy war zu Besuch gekommen und wollte einfach nicht mehr gehen. Vier Seiten waren vertauscht worden, und von den Druckern hatte keiner aufgepasst. Scheißtechnik! Kurz wollte gar nicht nachrechnen, wie viel Tonnen Papier heute Nachmittag in Makulatur verwandelt worden waren.
    Sein Telefon läutete. Die Technik meldete, dass der Andruck lief. Endlich!
    Kurz federte die zwei Treppen hinunter. An der Vibration, die sich vom Boden in die Muskeln seiner Waden übertrug, spürte er, wo er sich befand. Er lief durch den langen Gang an der Kantine vorbei zur hell erleuchteten Halle, in der heute an den beiden haushohen Rotationen kein Druckwerk still stand. Trotz modernster Schalldämpfung schwirrte ein gewaltiges Sausen von den auf Hochtouren arbeitenden Maschinen durch den Raum. Die Drucker der Tages- und die der Nachtschicht standen sich auf den Füßen. In der Packerei hielt sich die verdreifachte Zahl an Aushilfskräften bereit. Zwei 16-Seiten-Bögen liefen gleichzeitig auf den Maschinen. Ohne eine Begrüßung zog Kurz einen laufenden Bogen aus der Maschine und knallte ihn stumm auf ein Pult neben einer mit unzähligen Knöpfen und blinkenden Lämpchen überzogenen Steuerung vor der Rotation.
    »Fadenzähler!«, brüllte er, seinen Blick nicht von dem Bogen lassend.
    »Mehr Cyan!«, blaffte er denjenigen an, der ihm das Gerät in die Hand drückte. Er bückte sich tief zu dem Vergrößerungsgerät hinunter und drehte den Bogen um. »Ich hoffe, es ist sonst noch jemand hier, der dazu in der Lage ist, die richtige Reihenfolge zu kontrollieren.«
    »Das macht das Programm«, sagte ein Drucker der Nachtschicht, der wohl nicht mitbekommen hatte, was am Nachmittag hier abgegangen war.
    »Stoppt die Maschinen!« Kurz sprach so leise, dass der Mann am Pult ihn kaum verstehen konnte. Aber dennoch laut genug, dass der Schichtleiter wusste, dass es jetzt Ärger geben würde. Er drückte den roten Knopf, der wie ein Pilz aus dem Wald an Knöpfen herausragte. Per Handzeichen signalisierte er seinem Kollegen an der zweiten Maschine, diese ebenfalls zu stoppen.
    Ein paar Sekunden lang liefen noch die schmalen Fließbänder, dann war es mucksmäuschenstill in der Halle. Nur die Gebläse pusteten weiterhin die mit leichtem Apfelsinenduft vermischte Feuchtigkeit in die Halle.
    »Komm mal mit«, flüsterte Kurz dem Drucker im Blaumann zu, der längst bereut hatte, seinen Mund nicht gehalten zu haben.
    Kurz schritt auf seinen kleinen Beinen mächtig aus. Als der Angesprochene sein Tempo nicht mithalten konnte, wartete Kurz, bis er einen Zipfel vom Ärmel der blauen Arbeitsjacke erhaschen konnte. Dann zog er den Mann mehr oder weniger hinter sich her zu dem gelben Vorhang und bog ihn auseinander. Dahinter tauchte ein riesiger Stapel Zeitungen auf, der vor überquellenden Containern lagerte.
    Kurz’ Adern an Hals und Schläfen schwollen an, er holte tief Luft, als wolle er seufzen, dann brüllte er los, dass selbst diejenigen, die ein Donnerwetter erwartet hatten, noch

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