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Tatort Mosel

Tatort Mosel

Titel: Tatort Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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sollte dem Roth auf keinen Fall bei einer Pressekonferenz herausrutschen.«
    Walde schaute zur Tür, Sonja kam herein.
    Sie schien unbefangen mit der Situation umgehen zu können. »Störe ich?«, fragte sie und lächelte beide gleichermaßen an.
    Als niemand etwas sagte, wandte sie sich Monika zu: »Unten gibt es Probleme bei der Koordinierung der Personenüberwachungen. Grabbe fragt, ob du …«
    »… um was soll ich mich denn noch alles kümmern.« Monika hackte demonstrativ auf die Tastatur und schob dann ihren Stuhl nach hinten. »Ich muss in zehn Minuten fertig sein.«
     
    Als hinter Monika die Tür mit einem Knall ins Schloss fiel, sagten beide nichts. Sonja stellte sich ans Fenster und Walde blieb am Schreibtisch sitzen, ohne etwas zu tun.
    Nach einer Weile brach er das Schweigen: »Es ist lange her, da war ich 16 oder 17, da ist auch so etwas passiert.« Walde tat sich schwer. »Damals hab ich mit einer Freundin Schluss gemacht, und die Neue hatte die Geschichte mit mir nur als Abenteuer oder Ausrutscher betrachtet.«
    »Sag ruhig One-Night-Stand.« Sonja schaute ihn nicht an. »Ich möchte auch Zeit haben, um darüber nachzudenken.«
    Und genau die habe ich jetzt nicht, dachte Walde.
    *
    Hirschner saß auf seinem Lieblingsplatz direkt neben der hellen Brüstung der Terrasse. Das dicke Rückenpolster hielt den kühlen Wind ab, der aus südlicher Richtung über die Stadt wehte. Am Himmel trieben einzelne Wolken zur nahen Mariensäule hin und verdeckten immer wieder die untergehende Sonne. Als sie erneut zum Vorschein kam, schloss Hirschner geblendet die Augen.
    Lea hätte ab morgen Urlaub haben sollen. Aber er konnte nicht umhin, ihr die Situation zu schildern. Es fiel ihm schwer, ihr eingestehen zu müssen, dass er sich ohne sie fürchtete. Es passte nicht in das Bild, das sie von ihm haben sollte.
    Was machte er sich vor? Sah er es nicht, wenn er in den Spiegel schaute? Einen alten und obendrein kranken Mann. Sein Geist und sein Tatendrang waren jung geblieben. Das hatten sich manche Leute nach seinem Eintritt in den Aktivkreis zunutze gemacht. Räumer und besonders Haupenberg hatten es verstanden, ihn immer wieder für weitere Projekte zu begeistern.
    Am Sonntag würde er auf sein Gut in der Médoc fahren und erst mal eine Weile dort bleiben. Er würde sich wieder auf sein Kerngeschäft besinnen. Alles andere war ihm gleichgültig geworden.
    Lea brachte ein Tablett mit Kaffee. Sie stellte es auf das Steingeländer und schenkte zwei Tassen ein: »Zwei Süßstoff sind drin.« Sie reichte Hirschner eine Tasse.
    Er stöhnte innerlich auf, als er zusehen musste, wie sie sich rückwärts auf die Brüstung schwang. Dahinter fiel eine Felswand mehr als dreißig Meter tief ab.
    Hirschner litt unter Höhenangst. Was die Brüstung zur Stadtseite seines Grundstücks anging, so hatte er sich ihr stehend noch nie auf weniger als einen Meter genähert. Das war eine weitere Eigenschaft, die die Hauptfigur seines Lieblingsfilms mit ihm teilte.
    Jetzt zog Lea auch noch die Beine hoch und stellte die Füße auf die Brüstung. Er wandte den Blick wieder zur Mariensäule, wo nur noch ein Zipfel der Sonne zwischen Wolken und Horizont ihr unvermindert grelles Licht aussandte.
    »Ich fahr Sie am Sonntag«, hörte er Lea sagen.
    »Was ist mit Ihrem Urlaub?« Hirschner drehte sich nicht um.
    »Wird verschoben.«
    »Aber das kann ich nicht von Ihnen verlangen, Sie hatten schon so lange …«
    »Andere Leute fahren in die Médoc, um dort Urlaub zu machen.«
    »Sie verstehen, warum ich dorthin fahre?«, fragte er.
    »Ich verstehe nicht, warum Sie noch hier bleiben.«
    Hirschner hatte sich wieder zu ihr umgedreht und fürchtete für einen Augenblick, die Armbewegung könnte ihr Gleichgewicht gefährden. Von unten war ein langgezogenes Quietschen einer Bremse zu hören. Der für beide fast unvermeidlich erscheinende Knall blieb aus.
    »Können wir nicht früher fahren?« Lea schwang ihre Beine zur Terrasse zurück.
    Hirschner registrierte es erleichtert: »Den Termin am Samstag habe ich fest zugesagt. Dann kommt unser Besuch aus Moskau.«
    »Das sind noch zwei Tage, die kommen bestimmt nicht mit dem Zug. Wir können das Treffen auch nach Bordeaux verlegen.«
    »Ist gut gemeint, Lea, aber Sie wissen doch selbst, wie die Russen sind. Wir holen Sie in Luxemburg ab, zeigen ihnen die Fabrik, gehen schön essen und dann läuft das übliche Programm, mit dem Sie und ich nichts mehr zu tun haben, und am Sonntag brechen wir hier unser Zelte

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