Tatort Oktoberfest (German Edition)
getäuscht.
Wie kommt das Luigis Smartphone in ihr Schlafzimmer? Sein letzter Besuch liegt einige Zeit zurück, war nicht gestern oder vorgestern. Warum hat sie es bislang übersehen? Warum hat Annegret es beim Staubsaugen nicht entdeckt? Bei den eingegangenen Gesprächen findet sie mehrfach ihre Nummer. Mein Gott, wer war in ihrem Zimmer? Ist es derjenige, der ihre weitere Kandidatur verhindern will? Wer hat Luigi sein Handy abgenommen? Was ist Luigi passiert, hat ihn jemand in seiner Gewalt? Ohne Grund kommt die Polizei nicht um diese Stunde. Wie kommt sein Telefon in ihre Wohnung? Dieser Italiener heute, vielleicht ist er unbemerkt heraufgekommen und hat das Handy in ihre Wohnung geschmuggelt? Aber warum sollte ein Landsmann daran interessiert sein, ihre Kandidatur zu verhindern? Das ergibt alles keinen Sinn. Sie tigert nervös auf und ab, überlegt. Auf jeden Fall darf das Smartphone nicht bei ihr gefunden werden. Sie muss es unauffällig verschwinden lassen und vorher die Sachen löschen, die sie belasten. Am besten, sie entsorgt es unauffällig auf der Wiesn. Luigi war auf der Wiesn tätig, und er könnte es dort verloren haben, das wäre logisch.
Claudia geht ins Bad. Ein zufälliger Blick in den Spiegel lässt sie aufstöhnen. Großer Gott, sie sieht aus wie die letzte Vogelscheuche, so kann sie morgen nie und nimmer ins Rennen ziehen. Sie muss schlafen, sie muss ausgeruht sein, sie muss schön sein, sie muss … Sie öffnet den Badezimmerschrank und greift nach einer Packung Tabletten, drückt drei aus der Packung und schluckt sie mit etwas Wasser hinunter.
Ludwig bleibt aufgewühlt vor der Wohnungstür im Hausflur stehen. Bevor er sich aus dem Schlafzimmer und der Wohnung schlich, konnte er ein paar Bruchstücke der Unterhaltung aufschnappen. Der Name Luigi fiel. Er zuckte zusammen. Noch immer ist ihm eiskalt, und er zittert. Er hockt sich auf den Treppenabsatz. Seine Gedanken rasen, er schließt die Augen: Sie haben die Leiche gefunden. Sofort taucht das Licht im Wageninnern auf, das von unten auf Luigis Gesicht fiel, und die toten Augen starren ihn eindringlich an. Er beeilt sich, die Lider wieder zu öffnen. Den ganzen Tag über verfolgte ihn dieser Albtraum mit seinen schrecklichen Bildern. Nur bei Claudia war er unbeschwert und konnte alles vergessen. Ein feuchter Streifen Schweiß klebt sein T-Shirt an seinem Rücken fest. Wenn sie Luigis Leiche gefunden haben, werden sie feststellen, dass er im Auto saß. Sie werden ihn verhaften. Die Bullen sind seinetwegen erschienen, nicht wegen Claudia. Er muss sie aufklären, sobald die Polizei weg ist. Sie darf nicht seinetwegen ins Gefängnis. Er muss sie vor den Übergriffen beschützen.
Das Handy fällt ihm ein. Er kramt in seinen Taschen. Es ist weg. Er hat es verloren. Wo? Bei Claudia, umso schlimmer. Wenn die Polizei es bei ihr findet, werden sie daraus schließen, dass sie Luigi umgebracht hat. Soll er gleich hineingehen und sich stellen, damit sie wieder frei ist? Er steht auf und lauscht an der Tür. Nichts. Plötzlich ganz nah! „Auf Wiedersehen, wir danken Ihnen für Ihr Entgegenkommen.“
Die Bullen verabschieden sich, sie nehmen Claudia nicht mit. Ludwig atmet auf. Dann wird ihm klar, dass die Polizisten sich gleich vor ihm aufbauen werden. Er nimmt jeweils zwei Stufen auf einmal, um in das nächste Stockwerk zu gelangen. Dort versteckt er sich und wartet, bis die Schritte sich entfernen und bis er hört, dass die Tür unten zuschlägt. Jetzt wagt er sich vorsichtig an das Flurfenster. Er beobachtet, wie die Beamten in einen unauffälligen blauen Kleinwagen steigen und davonfahren. Er atmet hörbar aus. Noch einmal gutgegangen.
Er muss das Handy wieder in seinen Besitz bringen. Claudia darf es nicht entdecken, dann liefert sie es womöglich der Polizei aus, und sie bekommen heraus, dass er es vom Tatort hat mitgehen lassen und schließen daraus, dass er Luigi umgebracht hat. Fieberhaft überlegt er. Richtig. Er wird abwarten, bis Claudia eingeschlafen ist, wird sich in ihre Wohnung schleichen und das Handy rausholen. Das Schloss wird nicht schwierig zu knacken sein, wenn nicht abgeschlossen ist und sie den Schlüssel nicht umgedreht hat. Ludwig schaut aus dem Flurfenster. Der Lichtschein aus Claudias Wohnung spiegelt sich in den dunklen Fenstern des gegenüberliegenden großen Hauses. Wenn er erlischt, dann schläft sie. Es dauert. Er setzt sich wieder auf die Treppe und wartet geduldig.
Endlich wird es dunkel. Nach einigen Minuten
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