Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tatort Oktoberfest (German Edition)

Tatort Oktoberfest (German Edition)

Titel: Tatort Oktoberfest (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Ludwig
Vom Netzwerk:
weicht ihr das Blut aus dem Gesicht. Es ist verschwunden, so wie es gekommen ist. Wer verschafft sich Eintritt in ihre Räume, wie kommt er hinein, hat er einen Schlüssel? Ist es jemand, den sie kennt? Will er sie einschüchtern? Ist es eine Warnung? Wer will, dass sie aufgibt und alles abbläst, den Kampf verloren gibt, bevor er richtig angefangen hat? Stopp! ruft sie sich zur Vernunft und strafft ihre Schultern. Wer immer es ist, sie wird ihm den Gefallen nicht tun, sie wird so schnell nicht aufgeben. Er kennt sie nicht. Sie ist eine Kämpfernatur und wird die Segel so schnell nicht streichen. Er wird sie kennen lernen, versucht sie, sich Mut zu machen. Auf jeden Fall wird sie das Schloss zu ihrer Wohnung austauschen lassen. Sie wird sich auf den Tag konzentrieren, alles andere später.
    Ein prüfender Blick zur Uhr verrät ihr, dass sie es selbst zur zweiten Veranstaltung nur pünktlich schafft, wenn sie nicht trödelt. Lustlos kramt sie in der stattlichen Ansammlung von Dirndln, die dort ordentlich hängen, und die sie eigens für diese Woche nähen ließ. Alle maßgefertigt von einer bekannten Designerin, aus edlen Naturmaterialien und mit ein paar besonderen Details. Eines hat eine besondere Schürzenschleife. An einem anderen ist die Schürze passend zum lila Mieder in Fliederfarben quer gesteift, ein weiteres besitzt ein uriges Wildlederoberteil mit einer rotkarierten Schürze aus derbem Stoff. Alle scheinen ihr heute zu aufgemotzt. Unschlüssig pflückt sie sich eines nach dem anderen heraus und wirft es auf das Bett. Ganz hinten in der letzten Schrankecke wird sie fündig. Ein altes, knöchellanges Dirndl, ein Geschenk ihrer Mutter, aus einfachem Stoff, mit einem blauen Mieder und Weißwasch, nicht sonderlich verziert, mit einer weißen Schürze scheint ihr richtig und angemessen. Sie beschließt, dieses traditionelle Gewand heute zu tragen.
    Entschlossen greift sie zum Telefon. „Bitte Frau Rezzo, ich kann Ihren Schmerz und Ihre Trauer verstehen. Luigi war für mich ein Freund aus Jugendtagen. Sie haben sich da in etwas reingesteigert und irren sich, wenn Sie meinen, da wäre mehr gewesen. In letzter Zeit hat er manchmal als Informant für mich gearbeitet. Sie tun Ihrem Mann unrecht. Er liebte Sie und das Kind abgöttisch, hat mir stets von Ihnen erzählt und war so stolz. Selbstverständlich werde ich Ihnen finanziell unter die Arme greifen bei den Kosten für die Beerdigung und auch für den Übergang in der nächsten Zeit …“
    „Sie? Sie wagen es? Sie Heuchlerin, Sie haben ihn umgebracht. Mörderin. Assassina.“
    Danach hört sie nur noch das Tuten. Ein dumpfes Gefühl rumort in ihrer Herzgegend. Aufgewühlt läuft sie im Zimmer umher, schreit. Ein Kissen fällt ihr in die Hände, sie bearbeitet es mit den Fäusten wie einen Punchingball, bis sie ihre Fassung wiedererlangt. Sie verflucht ihren Leichtsinn. Als das Abenteuer mit Ludwig ihr in den Sinn kommt, fragt sie sich: Bin ich nicht schon wieder drauf und dran, mich unvernünftig auf etwas einzulassen, das ich im Augenblick eigentlich ganz und gar nicht gebrauchen kann? Es läutet an der Tür. Rasch schlüpft sie in ihren Bademantel. „Ja, bitte?“ sagt sie und blickt in einen riesigen Rosenstrauß.
    „Für Sie, gnädige Frau. Würden Sie bitte hier quittieren?“
    Sie unterschreibt, der Bote lächelt ihr zu. Sie bedankt sich höflich und steckt ihm ein Trinkgeld zu. Im Zimmer pflückt sie die Karte aus dem Rosenmeer. „Heute Abend? Nur wir zwei?“ steht auf dem Kärtchen. Ich weiß nicht, mein Lieber, denkt sie bitter, vielleicht ist mir die Lust vergangen. Achtlos steckt sie die Rosen in einen Eimer, verfrachtet ihn in eine Ecke. Anschließend setzt sie ihre Kaffeemaschine in Gang, wartet bis der Reinigungsgang durchgelaufen ist, stellt eine Tasse darunter und drückt auf den Knopf. Ein im Brotkorb noch übrig gebliebenes, halbes Hörnchen vervollständigt ihr Frühstück. Auf einem Tablett nimmt sie alles mit ins Wohnzimmer, setzt sich auf einen Sessel und schaltet mit der Fernbedienung den Fernseher ein. Trachtengruppen ziehen vor ihren Augen vorüber. Bei jeder erklärt die sonore Stimme des Sprechers, wie lange diese spezielle Tracht schon getragen wird, aus welcher Gegend die Gruppe stammt und hebt hervor, dass sie sich um die Erhaltung des Brauchtums besonders verdient macht. „Brauchtum hoaßt ned, dass ma d’Aschn aufhebn, sondern dass ma d’Flamme am Leben erhalten“, hört sie den Vorsitzenden des Heimat- und

Weitere Kostenlose Bücher