Tatort Oktoberfest (German Edition)
Volkstrachtenvereins Holzkirchen sagen, der gerade interviewt wird. Claudia nippt an ihrem Kaffee und tunkt das schon altbackene Weißmehlteil hinein, bevor sie es zum Mund führt.
Als sie Ochshammer bei den VIP-Leuten sitzen sieht und die Großaufnahme ihn nicht gerade günstig in Szene setzt, schmunzelt sie. „Leider ist unsere allseits beliebte Bewerberin Claudia nicht erschienen. Wir wissen nicht, was geschehen ist, dass sie diesen wichtigen Termin nicht wahrnimmt.“
Ob schon etwas von Luigis Tod durchgesickert ist? Der Kommentar war sehr vorsichtig. Weiß die Presse Bescheid, und man will den Umzug nicht gefährden? Vielleicht ist es gut, dass sie nicht teilnimmt. Sie schaltet das Gerät aus und den CD-Player an. Die leichte Klaviermusik von gestern Abend erfüllt wieder den Raum. Claudia lehnt sich einen Moment zurück und schließt die Augen. Ihre Hände streichen sacht über ihre bloßen Oberschenkel.
Ein Geräusch lässt sie zusammenfahren. Sie öffnet die Augen. Ist jemand in der Wohnung? Sie lauscht. Nein, Gott sei Dank, es kam von draußen. Sie atmet auf. Eine Sekunde später schlägt die Klingel an. Sie kann niemanden gebrauchen. Sie nimmt sich erneut vor, gleich morgen das Schloss austauschen zu lassen. Widerwillig geht sie zur Tür und öffnet.
„Ludwig? Was machst du hier? Du kommst ungelegen. Entschuldige. Ich bin spät dran und muss mich noch zurechtmachen und anziehen.“
Trotz ihrer Worte gestattet sie dem Jungen, hereinzukommen. Er steht hilflos im Korridor, dann grient er, und seine Hand streckt sich nach ihr aus. Plötzlich hat er sie an sich gezogen. Er ist kräftig, und sie hat dem nicht allzu viel entgegenzusetzen. „Bitte, Ludwig, so geht das nicht“, jammert sie und windet sich frei. „Du kannst nicht einfach hierher kommen und mich so mir nichts dir nichts überfallen. Ich bin eine vielbeschäftigte Frau. Wir können uns verabreden, aber ich bin die, die sagt wann und wo …“
Nach dieser Rede steht sie vor ihm und erinnert sich, in einer ähnlichen Situation vor dem Mann gestanden zu haben, der ihr jetzt Rosen schenkte. Er hatte ebenso wenig Zeit für sie, wie sie jetzt für diesen Jungen. Damals, ebenfalls nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht, fühlte sie sich gelinde gesagt beschissen, so als hätte man ihr einen Eimer kaltes Wasser über das Haupt geschüttet.
Ludwig scheint es ähnlich zu gehen, und er tut ihr mit einem Mal leid. Sie zieht ihn an sich und murmelt: „Ist doch nicht so gemeint, ich mag dich doch, aber ich habe wirklich keine Zeit.“ Ihr Körper drückt sich an ihn. Ihr Bademantel hat sich geöffnet, und ihre Brustspitzen berühren den weichen Stoff seines Sweatshirts. Seine Hände fassen danach, und plötzlich nähert sich sein Mund dem ihren, und sie stöhnt. Sie fühlt Verlangen und Hingabe. Das kann doch nicht wahr sein. Sie treibt es hier mit diesem Jungen, obwohl ihre Existenz auf dem Spiel steht. Sie macht sich frei. „Bitte Ludwig, ich habe wirklich keine Zeit. Bitte geh. Wenn die Sache vorbei ist, dann können wir … Bitte.“ Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn sanft, um ihn gleichzeitig mit der Hand Richtung Tür zu schieben. „Wir sehen uns später, ja? Aber bitte sag niemandem etwas von uns beiden. Es bleibt unser Geheimnis, verstanden?“ Ludwig nickt und strahlt. Er ist hübsch, geht ihr durch den Kopf. Diese etwas altmodische Frisur, die zu seiner Maskerade als Ludwig II. gehört, steht ihm. Aber er ist so verdammt jung.
Als er aus der Tür ist, hetzt sie zum Kleiderschrank, nimmt das ausgesuchte Dirndl vom Kleiderbügel und streift es über. Dann eilt sie ins Bad. Der Spiegel zeigt ihr ein hübsches Frauenzimmer, dessen Augen leuchten. Sie trägt rasch mit geübten Bewegungen ein relativ starkes Make-up auf, weil sie weiß, für die Fernsehkameras ist es notwendig und fährt mit einer Bürste durch ihre schulterlangen Haare. Sie stellt fest, dass ihre Naturlocken Oberhand gewonnen haben und sich die Strähnen um die Stirn kringeln, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen kann. Eigentlich ganz passend, findet sie plötzlich und steckt einfach zwei Kämme in die Seitenpartien, um sie vom Gesicht fernzuhalten. Ein letzter Blick überzeugt sie. Fesch, werden sie sagen. Auf in den Kampf, Claudia!
Schon fast an der Tür, klingelt ihr Telefon. Sie kämpft mit sich, ob sie rangehen soll. „Ja, bitte? Ah, du bist es. Papa, tut mir leid, ich gehe gerade und habe überhaupt keine Zeit für einen Schwatz. Kann ich dich
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