Tatort Oktoberfest (German Edition)
endlich ran“, raunt er ungeduldig und atmet auf, als Enno sich meldet. „Ciao Enno, hier Tino, wie geht es? Tutti bene? Und Ulla? Ich mach es kurz, Folgendes …“ In kurzen Worten schildert er Enno die Sachlage. „Bekommst du es trotz Urlaubes hin, die Nummern innerhalb von zwei Stunden checken zu lassen? Bene, ich warte auf deinen Rückruf. Bis dahin halte ich Luigis Handy unter Verschluss.“
„Hast du eine Plastiktüte?“ fragt er Julia, zurück im Wohnzimmer.
„Sicher, warte.“ Sie verschwindet kurz und kommt mit einem Beutel in der Hand wieder. Di Flavio lässt das Smartphone vorsichtig hineingleiten.
„Jetzt brauche ich deine Fingerabdrücke, Ludwig. Damit die Fachleute im Labor dich gleich ausschließen können. Hast du auch noch einen Lippenstift für mich, Julia?“
Ludwig schaut ihn fragend an. Mit einem Grinsen legt di Flavio den Stift und einen Bogen Papier vor Ludwig auf den Tisch. „Malstunde. Am einfachsten, du schmierst dir das Rot auf die Lippen, drückst die Finger erst auf den Mund, dann auf das Blatt.“
Ludwig grient. „Det is ja megakrass“, bemerkt er, als er seine rotgefärbten Fingerkuppen auf das Weiß drückt. Auch dieses Beweisstück verschwindet in einem Plastikbeutel, den di Flavio einsteckt.
„Julia, ich kann nicht länger bleiben.“ Bedauern schwingt in seiner Stimme. „Ciao, Ludwig. Bleib cool. Ach ja, absolutes Stillschweigen! Geheimsache, verstehst du. Mit niemandem darüber reden. Dazu gehört auch Claudia. Versprochen?“
„Ja, großes Ehrenwort.“
Julia bringt ihn zur Tür. Plötzlich stehen sie sich etwas hilflos gegenüber. Er zögert. Sie schauen sich an, bis sie murmelt: „Bleib gesund.“ Sie schiebt ihn aus der Tür. Er ist schon fast an der Treppe, als er sie hinter sich herlaufen hört, stehen bleibt und sich umdreht. „Habe ich etwas vergessen?“
„Ja, hier, deine Zeitungen.“ Sie reicht ihm die Tüte. „Warte, ich begleite dich noch zur Haustür. Weißt du, ich mache mir Sorgen um den Jungen. Bei dem Unfall mit seinen Eltern vor zehn Jahren erlitt Ludwig ein Schädelhirntrauma, abgesehen von dem psychischen Trauma durch den Verlust seiner Eltern. Einige seiner Gehirnregionen sind in Mitleidenschaft gezogen worden. Das erklärt seine leichte Sprachbehinderung. Er redet für einen Berliner ungewöhnlich wenig, weil er nicht will, dass es auffällt. Danke für dein Verständnis. Die Sache mit Claudia liegt mir im Magen. Ich kann ihn ja nicht einsperren …“
„Er ist erwachsen. Lass ihm die Zeit mit Claudia, sie ist wichtig für ihn. Wie es ausgeht? Wer weiß, er wird es verkraften, selbst wenn es nicht von Dauer ist.“
Sie lächelt. „Also gut.“
Als sie fast unten an der Ausgangstür sind, umarmt ihn Julia, und er drückt sie eine Weile stumm an sich. Ihr Haar verströmt wieder diesen leicht blumigen Duft. Sanft berühren seine Lippen ihre Stirn, und seine Finger streichen zärtlich über ihre Wangen. Dann wendet er sich zur Tür. „Ciao bella.“
Claudia greift nach einem rosa Dirndl. Lieber würde sie heute normale Jeans und einen bequemen Pulli anziehen, aber dieser zweiwöchentliche Fernsehauftritt am Montag gehört nun einmal dazu, und sie sollte sich nicht beklagen. An den anderen Montagen sind die Kochauftritte für sie nicht nur Arbeit, sondern auch Spaß, heute fühlt sie sich leicht erkältet und mitgenommen. „PR ist enorm wichtig, das weißt du doch“, schimpft sie sich.
Wegen des Oktoberfestes wird für die 45-minütige Show extra eine Küche im Garten des Schlosses Linderhof aufgebaut. Sie schaut zum Himmel. Einige behäbige Wolken beginnen, sich gerade im Blau zu räkeln. Ein Montagswetter halt, unentschieden, wohin es sich entwickeln soll. Kein strahlender Ausnahmetag wie der gestrige. Zum Arbeiten in Räumen in Ordnung, problematisch nur für eine Sendung, bei der nicht wie üblich im Studio, sondern draußen gekocht wird. Zwar werden alle Bestandteile des Menüs weitgehend vorbereitet aus ihrer Restaurantküche angeliefert und nur eines wird frisch zubereitet. Auf aufwendige Vorspeisen und große Kochkünste erfordernde Nachspeisen wird ebenfalls verzichtet. Claudia seufzt. Trotzdem bleibt noch genügend Arbeit. Wie immer wird nachher alles locker und leicht aussehen. Das ist die Kunst, für die sie bekannt ist. Das Wetter? Sie kreuzt die Finger. Wird schon gutgehen.
Claudia fährt schnell mit einem Kamm durch ihre Haare. Später wird die Stylistin noch Hand anlegen, und auch die Maskenbildnerin wird ihr
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