Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
ihr Hirn: Warum sollte sie sich gleich an ihrem ersten Ferientag langweilen und die Zeit totschlagen, bis alle anderen von ihren Vergnügungen zurückkehrten? Sie lief zum Telefontisch im Flur, auf dem auch ein Stadtplan von Oslo lag. Sie faltete ihn auseinander und suchte den See namens Maridalsvannet, der sich im Norden der Stadt befand. Sie hatte sich die Wegbeschreibung auf einem Zettel notiert, doch kannte sie die Stichwörter, die Leif am Telefon gesagt hatte, inzwischen auswendig: Maridalsvannet, Hammeren, 51, roter Bauernhof, links vorbei, Feldweg bis zum Ende, braune Hütte, Scheune .
Sie fand die Buslinie 51 und entdeckte nach einigem Suchen auch die Haltestelle Hammeren, die westlich des Sees am Maridalveien lag, der sich einsam durch das riesige Waldgebiet schlängelte, das dort seinen Anfang nahm. Wäre doch gelacht, dachte sie, wenn ich die braune Hütte nicht finde.
Mit Alexander konnte sie später immer noch reden. Und seinen Vater wollte sie erst in Kenntnis setzen, wenn sie etwas Konkretes in der Hand hatte. Sie konnte ja nicht wegen ein paar aufgeschnappter Gesprächsfetzen gleich die Polizei alarmieren und Leif womöglich in größte Schwierigkeiten bringen. Doch wenn sie am Montag bei dieser Hütte irgendwelche seltsamen Beobachtungen machte – dann würde sie sich nicht länger zurückhalten. Sorry, Leif!
Kapitel 33
Leif dachte keine Sekunde daran, am Montagmorgen zu dieser Hütte zu fahren, die Morten ihm beschrieben hatte. Er war die Verabredung nur zum Schein eingegangen, weil Morten sonst keine Ruhe gegeben hätte. Der Typ war größenwahnsinnig und unberechenbar. Hatte ihn angerufen, um ihn zu einem neuen Einbruch zu überreden. Über die Sache am Holmenkollen wäre längst Gras gewachsen, meinte er. Als Leif ihm klipp und klar gesagt hatte, er mache nicht mehr mit, hatte Morten versucht, ihn zu erpressen. Wollte Leif einreden, er hätte immer noch Schulden bei ihm, wollte ihm abermals weismachen, dass er die alte Frau auf dem Gewissen habe, um ihn kleinzukriegen. Um die letzten Reste seines Selbstbewusstseins zu zerstören. Aber das würde ihm nicht gelingen.
Ich muss untertauchen, dachte Leif. Das war der einzige Ausweg, der ihm noch blieb. Morten wollte ihn in eine Falle locken, das stand fest. Warum hätte er als Treffpunkt sonst eine einsame Hütte in der Nähe eines Sees vorgeschlagen? Dort wollte er ihn unschädlich machen, um seinen lästigen Kompagnon und Mitwisser ein für alle Mal loszuwerden.
Außerdem war Franziska drauf und dran, ihm auf die Schliche zu kommen. Hatte heimlich seine SMS gelesen, worauf er völlig die Beherrschung verloren hatte. Die wartete doch nur darauf, dass er irgendeinen Fehler machte und sich verriet. Und wenn sie ihm nicht nachspionierte, dann war da noch ihr aufdringlicher Freund Alexander, der ihm neulich beim Abendessen so neugierige Fragen gestellt hatte. Wo er aufgewachsen sei. Was er beruflich mache. Welche Hobbys er habe. Wie der Oberstaatsanwalt persönlich!
Als Franziska lächelnd bemerkt hatte, diese Art zu fragen läge in der Familie, Alexanders Vater sei nämlich Kriminalhauptkommissar, war er tatsächlich zusammengezuckt wie ein schreckhafter kleiner Ganove. Nein, ihm wurde das Pflaster hier endgültig zu heiß unter den Füßen. Er musste verschwinden, und zwar auf der Stelle.
Kapitel 34
Am Montagmorgen wachte Franziska ungewöhnlich früh auf, obwohl Ferien waren. Sie hatte sich ihren Wecker vorsichtshalber auf 7.30 Uhr gestellt, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Sie spürte ein aufgeregtes Kribbeln, als müsste sie heute eine wichtige Klausur schreiben oder ein schwieriges Referat halten. Die günstigste Verkehrsverbindung hatte sie gestern schon nachgeschlagen. Wenn sie zwei Mal umstieg, konnte sie ausschließlich den Bus benutzen und würde für die Fahrt von Frogner bis Hammeren knapp vierzig Minuten benötigen. Sie könnte zwischendurch auch in die Straßenbahn oder U-Bahn umsteigen, aber das machte die Sache nur unnötig kompliziert und sie wollte sich nicht verfahren und womöglich Zeit verlieren.
Als ihre Zimmertür um kurz vor acht behutsam aufgeschoben wurde, hatte Franziska sich vorsorglich zur Wand gedreht und die Augen geschlossen. Lautlos wie eine Maus zog sich ihre Mutter wieder zurück. Im nächsten Moment hörte Franziska die Wohnungstür ins Schloss fallen.
Sie stand auf, öffnete ihre eigene Tür einen Spaltbreit und legte sich wieder hin. Auf diese Weise konnte sie den Flur im Augen behalten. Etwa
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