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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick L. Brille
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um einen echten Verwandten des Yeti von Loch Ness. Im Gegenteil: Hinter der zuweilen pelzigen, manchmal auch aalglatten Hülle befindet sich eine mitfühlende, meistens recht junge Seele, der ihr Job voll peinlich ist, die schwitzt wie zehn bayerische Mastschweine Aug in Aug mit dem Bolzenschussapparat und Sie so ungern betatscht, wie Anne Will mit Jürgen, dem Gute-Laune-Bär aus dem Big-Brother-Container, einen Zungenkuss austauschen würde.
    Wahrscheinlich haben Sie es schon erraten: Bei diesen Nachtmahren aus der Fantasie früher Marketing-Experten handelt es sich um die ins »wahre Leben« verpflanzten Wiedergänger verschiedener Zeichentrickfiguren. Ob Micky Maus, Kater Karlo oder der doofe Goofy: In den Disney-Parks dieser Welt sind sie permanent auf Achse – angeblich, um sich mit Kindern zu deren Pläsier fotografieren zu lassen, in Wirklichkeit jedoch, um Traumata zu erzeugen, die später so manchen Seelenklempner auf Jahre hinaus mit Therapieanträgen versorgen.
    Mittlerweile gibt es die verschiedensten Ableger dieser Scheußlichkeiten – seien es Sponge Bob oder Homer Simpson, Donald Duck oder Obelix. Ihre Einsatzgebiete sind längst nicht mehr auf Freizeitparks beschränkt – nein, sie bewerben ihre Sendungen, ihre Fanartikel oder auch einfach irgendeine andere Ausgeburt menschlicher Erfindungskraft in Fußgängerzonen oder Schwimmbädern, am Strand und in Stadien, auf Flugplätzen oder in Busbahnhöfen. In den Vereinigten Staaten sind es Tausende, die in diesen Verkleidungen stecken, denn dort haben auch die Teams des Profisports entdeckt, dass ihre jeweiligen Maskottchen auf diese Weise zum Leben erweckt werden können. Das führt dann zuweilen dazu, dass in Kindern früh die Einsicht reift, Alligatoren seien gar nicht so gefährlich, wie Erwachsene immer behaupten. Schließlich wurde der kleine Jimbo erst am Samstag mit einem fotografiert – was also soll falsch daran sein, die Echse, die in der ruhigen Vorstadtsiedlung von Miami gerade hinter dem Busch hervorkriecht, eigenhändig mit ein paar leckeren Steaks aus Mamas Kühlschrank zu füttern?
    Nun, überlassen wir den kleinen Jimbo zunächst einmal sich selbst und seinen letzten Gedanken und wenden uns stattdessen jenen Personen zu, die in den besagten Kostümen stecken. Fast immer handelt es sich um junge Menschen, die die infernalische Hitze, die sich im Inneren der Hülle innerhalb weniger Minuten ausbreitet, gut wegstecken können. Wäre doch peinlich, wenn Micky Maus plötzlich vor der Würstchenbude zusammenbricht und aus den Tiefen des Gigantoschädels dumpfe Röchel-Laute dringen.
    Von den Kostümträgern wird zudem eine gewisse grundsätzliche Freundlichkeit verlangt. Strikt verboten ist es ihnen, Kinder oder deren erwachsene Anhängsel zu schubsen, zu schlagen oder sich den Umarmungen eisverschmierter Bälger mittels Kopfstoß oder Fußtritt zu erwehren. Für Fototermine müssen die entmenschlichten Ganzkörperkondome jederzeit zur Verfügung stehen, permanent fröhlich winken und selbst mit einer Dreißig-Kilo-Hülle noch tapsige Tanzschritte zum Besten geben können. Beschimpfungen und Flüche sind übrigens tabu, und absolut strikt ist es untersagt, das Kostüm vor Arbeitsschluss abzunehmen. Wenn man all dies in Kauf zu nehmen bereit ist, kann man steinreich werden …
    Ein Scherz. Bloß ein Witz. Im Schnitt gibt’s sieben Euro pro Stunde.
     
Gefahr: ** (Glauben Sie bloß nicht, das Kostüm sei kugelsicher. Aber zugegeben – der Risikofaktor ist nicht allzu groß, wenn man von der Gesundheitsgefährdung durch das Arbeitsklima – bitte verstehen Sie das wörtlich – absieht.)
Langeweile: (Hitze, permanente Fröhlichkeit, ständig neue Herausforderungen in Gestalt biblischer Plagen, die von ihren Erzeugern als »süß« beschrieben werden – nein, langweilig ist der Job wahrlich nicht.)
Seltenheit: * (In Europa sind sie noch nicht so verbreitet; in den Staaten gab es in den Siebzigerjahren sogar schon eine Art Gewerkschaft für die Jungs und Mädels dieser speziellen Schaustellertruppe. Von Exotik also keine Spur.)
Ekelfaktor: *** (Betatschen und betatscht werden macht Ihnen Freude? Sie sind selbst zu den widerlichsten Typen immer nett und freundlich? Es macht Ihnen nichts aus, dass Sie nach fünf Minuten strenger riechen als Roger Rabbit beim Wettlauf mit dem Igel, aber erst nach vier Stunden duschen dürfen? Dann gibt es für Sie keinen Grund, sich zu ekeln. Dann nicht.)
Neidfaktor: (Sieben Euro pro Stunde sind

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