Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
der Gedanke durchgesetzt, dass Kinder tunlichst mittels Fernseher und Computerspielen zu sozialisieren seien, dass Gespräche von Eltern zu Kind in ihrer Bedeutung wahrscheinlich gnadenlos überbewertet werden und dass sich Erziehungserfolge mittels Schulnoten messen lassen. Gleichzeitig ist aber die Abhängigkeit des Nachwuchses vom einzigen Gesprächspartner, der nicht permanent durch Werbung unterbrochen wird oder Leistungsnachweise einfordert, enorm gewachsen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Mit Puppen und Kuscheltieren wurde immer schon gespielt, und immer schon haben Kinder diese für eine Weile als Ansprechpartner und Lieblingsgefährten genutzt. Doch mittlerweile ist aus der Zuneigung für Schnuffi, Bärli & Co. manchmal eine krankhaft übersteigerte Hingabe geworden, die bei Beschädigung oder gar Verlust des Spielzeugs den Einsatz psychologisch geschulter Kriseninterventionsteams notwendig macht.
Die Hauptkunden der Puppendoktoren sind allerdings ohnehin nicht die Kinder. Zum einen gibt es die SuSüSes (die supersüßen Sentimentalen), die sich auch zwanzig Jahre nach dem Verlust von Teddys rechtem Auge noch immer dafür verantwortlich fühlen, ihn aus staubigen Dachbodenregalen herausholen und endlich generalüberholen zu lassen, weil der menschliche Partner – sofern vorhanden – als Zuhörer offenbar noch weniger taugt als der stumme Kummerkasten von einst.
Die wichtigste Kundengruppe für Puppendoktoren sind aber mittlerweile Sammler, die Kollektionen von Stofftieren oder Puppen bestimmter Marken ihr Eigen nennen und mit der manischen Besessenheit von Al-Kaida-Kämpfern die Flohmärkte dieser Welt nach weiteren Exemplaren durchforsten. Sie würden töten für das rote Abendkleid einer 1952er Barbie, sie kämpfen um den Kopf eines Steiff-Teddys aus den Dreißigerjahren so fanatisch wie schwäbische Hausfrauen am Karstadt-Krabbeltisch um das letzte Exemplar eines preisreduzierten Badezimmer-Teppichs im Flipper-Look. Sammler zahlen enorme Summen für originalgetreu restaurierte Liebhaberstücke und die dafür notwendigen Ersatzteile.
Eine Puppenärztin ist Eva-Maria Haschler aus Augsburg (www.puppenklinik-augsburg.de). Bereits ihre Eltern hatten mit Puppen zu tun und unterhielten eine »Puppenkleiderfabrikation«. Dort begann Eva-Maria Haschler vor über vierzig Jahren, Puppenkleider zu entwerfen und ihrer Mutter, ihrerseits ebenfalls Puppendoktorin, bei der Reparatur von Puppen zu helfen. Später kümmerte sie sich dann auch um Teddys und verpflichtete ob des großen Andrangs ihren bis dato unbescholtenen Gatten Harald zur Mitarbeit. Unter anderem führen die beiden Feinreparaturen und Lackierarbeiten durch, heilen eingerissene Plastikköpfe, verhelfen Bärenhäuptern zu einer neuen Fülle oder erneuern Porzellanfüße. Auch Augen in allen Farben und Formen gibt es – für Puppen, Teddys und andere Plüschtiere.
Eine der ältesten Puppenkliniken überhaupt – nämlich über hundert Jahre alt – ist die Puppenklinik von Irving Chais in New York. Seine Patienten kommen aus allen Ländern der Erde.
Nun mögen Sie sich vielleicht fragen, wie wir auf die Idee kommen, den Beruf des Puppendoktors zu einem der begehrenswertesten in unserer Aufzählung zu machen. Ganz einfach: Die Patienten sind schon tot, wodurch das Risiko, für einen Kunstfehler haften zu müssen, entscheidend reduziert wird. Außerdem wird man von den zu Behandelnden nicht ständig vollgesülzt und trifft nach der OP ausnahmslos auf dankbare Menschen, die dem Onkel Doktor Respekt, Anerkennung und jede Menge Knete zollen. So übel ist das doch wohl wirklich nicht, oder?
Gefahr: (Wenn Sie nicht an »Chuck, die Mörderpuppe« glauben, haben Sie in diesem Job absolut nichts zu befürchten. Null Sterne.)
Langeweile: ** (Ein gewisser Mangel an Kommunikation und die Tatsache, dass sowohl Barbie als auch Ken irgendwie geschlechtslos sind, nimmt diesem Beruf viel Spannung. Aber immerhin sind die Aufgaben einigermaßen vielfältig.)
Seltenheit: ** (Puppendoktor ist kein Lehrberuf, häufig ist er trotzdem nicht. Denn auch wenn es keine formelle Qualifikation dafür gibt, kann ihn längst nicht jeder ausüben.)
Ekelfaktor: * (Wenn Ihnen ein Mittfünfziger mit gelben Zähnen, Alkoholfahne und einem durch den Sitz der Hose deutlich sichtbaren Arschgeweih eine aufblasbare Hülle namens Cindy vorbeibringt und verlangt, sie mögen deren weibliche Attribute etwas aufpolstern, Abnutzungsspuren beseitigen und die dralle Schönheit
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