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Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
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erschienenen, der Tier- und Pflanzenwelt verpflichteten Hauptwerk in einem Nebensatz auch auf die Humanevolution eingegangen ist, wollen wir in diesem Kapitel die Abstammung des Menschen u. a. im Zusammenhang mit der Stammesentwicklung der Rüsseltiere (Säugerordnung Proboscidea) ansprechen.
    Zunächst sollen allgemeine Informationen zur Stammbaum und Erbgut(DNA)-Analytik dargelegt werden, wobei wir von Darwins Korallen-Gleichnis ausgehen werden. Danach folgen ausgewählte Beispiele zur Verdeutlichung der Tatsache, dass in der Erbsubstanz DNA nicht nur die Art-typische
Bauanleitung
|261| des Individuums, sondern auch die
Geschichte
der betreffenden Organismengruppe niedergeschrieben und archiviert ist. Wir werden uns bei der Erläuterung dieser Grundregel der Biologie auf relativ »moderne« Wirbeltiere der vergangenen 150 Millionen Jahre beschränken, jedoch in diesem Zusammenhang auch auf die im letzten Kapitel besprochene archaische Zell-Evolution zurückkommen.
    Abb. 9.1: Satirischer Cartoon des Zeichners Thomas Nast aus dem Jahr 1871 mit dem Titel »Mr. Bergh to the rescue – The defrauded Gorilla«. Die behauptete Abstammung des Gorillas vom
Homo sapiens
Charles Darwins wird von einem behaarten, weinenden Urwald-Menschen beklagt. Der in der Mitte stehende Mr. Bergh versucht, in diesem Konflikt zu vermitteln (nach einer Zeichnung in
Harper’s Weekly
, August 19, 1871).

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|262| Darwins Korallen und das moderne Baum-Denken
    In Kapitel 4 hatten wir die von Charles Darwin formulierte Theorie zur Entstehung tropischer Korallenriffe kennen gelernt (s. Abb. 4.10, S. 128), die der Geologe in einem seiner ersten Fachbücher zusammenfassend dargestellt hat (Darwin 1842). In seinen Reise-Erinnerungen (Darwin 1839/1845) behandelte der junge Naturforscher die Korallen – von ihm treffend als »Zoophyten« bezeichnet – u. a. im Zusammenhang mit seinen umfassenden Freiland-Exkursionen. Wie der Kunsthistoriker H. Bredekamp (2005) berichtet, hat Darwin auf seiner Weltreise im Jahr 1834 in Patagonien verschiedene Korallen-Spezies untersucht und gezeichnet. Der erste, nur ein Jahr nach Rückkehr von der Weltumsegelung (1831 – 1836) in einem Notizbuch skizzierte Stammbaum mit dem Zusatz »I think« (Abb. 9.2) erinnert tatsächlich an einen Korallenstock. Nach Bredekamp |263| (2005) soll Darwin einer dieser unpublizierten Skizzen den folgenden Satz beigefügt haben: »Der Baum des Lebens sollte vielleicht die Koralle des Lebens genannt werden« (Abb. 9.3). Das im Artenbuch (1859/1872) wiedergegebene Diagramm, aus dem wir die »fünf Darwinschen Theorien« abgeleitet haben (s. Abb. 3.4, S. 78), kann man als Baum oder Koralle interpretieren . Mit den 1866 von Ernst Haeckel publizierten anschaulichen Zeichnungen, die Stammesentwicklung verschiedener Organismengruppen darstellend, setzte sich dann aber das »Baum-Symbol« zur Beschreibung der Phylogenese der Lebewesen durch. Haeckel ist u. a. als Begründer der
Phylogenetik
(Analyse der evolutionären Verwandtschaftsbeziehungen der Organismen und Rekonstruktion derselben) in die Geschichte der Biologie eingegangen (Jahn 2002).
    Abb. 9.2: Reproduktion der ersten Original-Stammbaumskizze von Charles Darwin aus dem Jahr 1837, die den Zusatz »I think« trägt. Das Schema soll Darwins Vorstellungen von der Familiengeschichte der Tiere wiedergeben, mit 1 = Urform und A, B, C und D = abgeleitete Organismengruppen.
    Abb. 9.3: Lebende Meeres-Edelkoralle, wie sie Charles Darwin im Jahr 1834 vermutlich untersucht und gezeichnet hat. Kolonien-bildende Nesseltiere (Cnidaria, mit Kalkskelett und ausstreckbaren Polypen) können gewaltige Riffe aufbauen (A). Ein korallenförmiger Baum des Lebens (
Tree of Life
) verdeutlicht lebende (rezente) und ausgestorbene (fossile) evolutionäre Abstammungslinien hypothetischer Organismen (B).
    Das von Darwin und Haeckel begründete »Denken in hypothetischen Abstammungs-Bäumen« hatte leider auch
negative
Konsequenzen für die Weiterentwicklung der Evolutionsbiologie . Das heute längst widerlegte Dogma einer stetigen |264| »Höherentwicklung«, von der »niedersten« Mikrobe (Monera) bis zum »höchstentwickelten« Menschen, der auch als »Krone der Schöpfung« bezeichnet wurde, verfestigte sich im 20. Jahrhundert nicht nur im Bewusstsein vieler Laien, sondern wurde darüber hinaus zu einer zentralen Parole der Kreationisten. Evolutionsforscher wissen aber seit Langem, dass die Phylogenese nicht notwendigerweise in allen

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