Tatsache Evolution
Theorie der seriellen primären Endosymbiose den Ursprung der Mitochondrien und Chloroplasten vor, wobei allerdings die archaische, zur Phagocytose |252| fähige Wirtszelle (sowie der exakte Ursprung des Zellkerns) noch nicht im Detail rekonstruiert werden konnten. Chloroplasten und Mitochondrien sind durch zwei Hüllmembranen gekennzeichnet (eine innere Membran von der ehemaligen prokaryotischen Zelle und eine äußere von der Wirtszelle) (Abb. 8.2, 8.6 B), wodurch ihr endosymbiontischer Ursprung eindeutig belegt ist.
Seit etwa 1985 wurden so viele Studien zur Abstammung der Mitochondrien und Chloroplasten publiziert, dass im »Darwin-Jahr 2009« keinerlei Zweifel mehr bestanden, dass diese Zell-Organellen aus phagocytotisch aufgenommenen, ehemals frei lebenden Alpha-Proteobakterien bzw. Cyanobakterien hervorgegangen sind. Diese Schlüsselereignisse in der Makroevolution der Organismen haben sich vor maximal 2200 bzw. 1500 Mio. J. im archaischen Ur-Ozean ereignet und gelten heute als belegte Tatsachen (Listen der Beweise s. Kutschera und Niklas 2005, 2008; Kutschera 2008 a). Wie unser Schema zur Zell-Evolution zeigt (Abb. 8.7), führte die primäre serielle Endosymbiose über kernhaltige »tierische« Einzeller (Protozoa) zu den mehrzelligen Gewebetieren (Animalia) und den Pilzen (Fungi). Aus der zweiten Abstammungslinie gingen nach Aufnahme und Domestikation frei lebender Cyanobakterien über ein- bzw. mehrzellige Grünalgen (Chloroplasten) die Pflanzen (Plantae) hervor. Die von Merezhkowsky (1905, 1910, 1920) und Wallin (1927) postulierte Symbiogenese, die heute in der Regel als »serielle primäre Endosymbiose« bezeichnet wird, hat somit zur Entschlüsselung der evolutiven Entwicklung der drei bekanntesten Organismenreiche geführt (Animalia, Fungi und Plantae, die ausnahmslos komplex gebaute, mit Organen ausgestattete Mehrzeller sind).
Über die 1978 entdeckte
sekundäre Endosymbiose
(Aufnahme und Domestikation einzelliger eukaryotischer Algen durch größere, heterotrophe Wirtszellen, wobei Chloroplasten mit drei bis vier Hüllmembranen entstehen) sind vor etwa 251 Mio. J. einzellige Zell-Chimären oder »Monster-Mikroben« evolviert, die heute u. a. im photosynthetisch aktiven Meeresplankton dominieren. Die Beweiskette für diese in Abb. 8.7 veranschaulichte sekundäre Endosymbiose, von der Merezhkowsky und |253| Wallin nichts wissen konnten, ist ebenfalls derart dicht, dass Evolutionsforscher auch in diesem Fall von einer belegten Tatsache sprechen (Liste der Beweise, s. Kutschera und Niklas 2008).
Zwei Abstammungslinien sind in der Abb. 8.7 als repräsentative Beispiele aufgenommen, die von großer Bedeutung sind: die durch Grünalgen-Plastiden (Chlorophylle a/b) gekennzeichneten begeißelten Süßwasser-Augentierchen (Eugleniden) der Gattung
Euglena
und die ebenfalls begeißelten, Rotalgen-Plastiden (Chlorophylle a/c) enthaltenden Dinoflagellaten (Dinophyten). Diese Mikroorganismen bilden den zentralen Bestandteil des Meeres-Planktons (»Schwebe-Organismen«). All diese photosynthetisch aktiven Einzeller (Zell-Chimären) stellen wir heute, wie z. B. auch die Amöben (Abb. 8.6 A), in das Reich der Protoctista (frühere Bezeichnung: Protisten, d. h. eukaryotische Einzeller und deren mehrzellige Verwandte, die nicht die für Tiere und Pflanzen typischen Körperstrukturen, mit einzelnen Organen, aufweisen). Gemeinsam mit den kernlosen Bakterien und Cyanobakterien (plus den Archaebakterien ), die zu den
Monera
zusammengefasst werden, haben wir in Abb. 8.7 alle fünf Organismenreiche und deren phylogenetischen Ursprung kennengelernt (Monera, Protoctista, Animalia, Fungi und Plantae, s. Kapitel 10).
Es sei darauf hingewiesen, dass C. S. Merezhkowsky bereits 1910 diese heute allgemein anerkannte Klassifizierung der Organismen »vorhergeahnt« hatte: In seinem Anti-Darwinschen Stammbaumdiagramm (Abb. 8.5) unterschied er zwischen den Monera, Fungi, Plantae und Animalia. Fügen wir die Sammelgruppe der Protoctista hinzu, so erkennen wir in diesem Bild die moderne, in Kapitel 10 vorgestellte
Five-Kingdom-Klassifizierung
der Organismen (Margulis und Schwartz 1998).
Abb. 8.7: Schema zum endosymbiontischen Ursprung der Fungi (Pilze), Animalia (Tiere), Plantae (Pflanzen), Protoctista (Ein- und Mehrzeller ohne Gewebedifferenzierung), ausgehend von den Monera (Bakterien, Cyanobakterien ). Die primäre und sekundäre Endosymbiose waren Schlüsselereignisse in der Evolution und haben über die Einzeller (Protozoa)
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