Tatsächlich Liebe in Notting Hill: Roman (German Edition)
sich zurück und musterte mich einen Augenblick, bevor sie endlich das Wort ergriff.
»Scarlett – dein Vater und ich, wir waren damals einfach zu verschieden, nehme ich an. Er war der Ruhige, Vernünftige in unserer Beziehung, während ich lebendiger, lebenslustiger war … Impulsiver, könnte man wahrscheinlich auch sagen.« Sie dachte nach. »Als wir miteinander ausgingen, war das durchaus noch in Ordnung; unsere Verschiedenheit führte dazu, dass unsere Beziehung frisch und aufregend blieb. Und dein Vater war damals ein ganz schöner Hingucker, Scarlett. Ich fand immer, dass er etwas von Harrison Ford an sich hatte.«
Sosehr ich mich auch bemühte, mich zu beherrschen – bei diesem Gedanken musste ich einfach grinsen.
»In den frühen Achtzigern galt Harrison Ford als ein richtig guter Fang«, erklärte Rose. »Das war genau der Höhepunkt des Star-Wars -Fiebers.«
Ich nickte. »Ich weiß.« Trotzdem war mein Vater in meinen Augen immer noch Dad und nicht Han Solo – von Indiana Jones ganz zu schweigen.
»Irgendwann haben wir dann geheiratet. Zuerst war alles prima – es war eigentlich nicht anders als vorher. Mit Ausnahme der Tatsache, dass wir nun jeden Monat mit Rechnungen zu kämpfen hatten und Darlehen abstottern mussten. Dein Dad hat das alles sehr viel ernster genommen als ich. Um ihn in Schutz zu nehmen, muss ich jedoch gestehen, dass es gut war, dass sich wenigstens einer von uns um diese Dinge gekümmert hat. Tom wollte immer, dass wir unser Geld sparen, um es für schlechte Zeiten zurückzulegen. Ich dagegen wünschte mir, dass wir ausgingen und weiterhin den Lebensstil führten, den wir vor der Hochzeit gewohnt waren. Ich wollte das Leben genießen, solange ich noch jung war. Wie du dir sicherlich vorstellen kannst, hat diese Situation zu sehr viel Streit geführt.«
Ich nickte. Dies entsprach dem wenigen, was Dad mir erzählt hatte.
»Aber ganz gleich, wie sehr wir uns über das Geld gestritten haben: Entscheidend war, dass wir uns immer noch abgöttisch liebten, Scarlett. Daran musst du immer denken.«
Sie hielt inne und dachte kurz nach.
»Etwa ein Jahr nach der Hochzeit wurde ich mit dir schwanger, was dazu führte, dass Tom jeden Pfennig zweimal umdrehte. Wir mussten Geld sparen für das Baby, für die Zeit, wenn mein Verdienst wegfallen würde, für Windeln, Wiege und Kinderwagen. Ich durfte nichts kaufen, ohne dass dein Vater darüber Bescheid wusste. Über jede noch so kleine Ausgabe musste ich Rechenschaft ablegen. Das hat mich wahnsinnig gemacht, Scarlett.«
Das konnte ich ihr nun wirklich nicht vorwerfen – das hätte auch mich rasend gemacht. David war diesbezüglich schon schlimm genug, aber wenigstens verfügte ich noch über mein eigenes Einkommen.
»Aber dann kamst du zur Welt, und eine Weile war alles wie verändert. Ich war völlig vernarrt in dich – anders kann man es nicht nennen. Du warst das Allerwichtigste in meinem Leben, das musst du mir wirklich glauben.«
»Was ist dann passiert?« Bisher hatte ich schweigend zugehört, doch diese Frage brannte mir unter den Fingernägeln.
Rose schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher. Mittlerweile denke ich, ich habe vielleicht unter einer Art postnataler Depression gelitten. Schließlich war diese Krankheit in all ihren Erscheinungsformen damals noch nicht so weit erforscht wie heute. Sicherlich kannte man schon den ›Baby Blues‹, und zweifelsohne wäre dieser auch bei mir diagnostiziert worden, wenn ich den ganzen Tag zu Hause gesessen und geweint hätte. Seit der Einführung des Internets habe ich mich eingehend mit diesem Thema beschäftigt. Ich kann damit mein Verhalten keinesfalls entschuldigen, Scarlett, aber ebenso wenig kann ich die volle Verantwortung dafür übernehmen.«
»Warum? Was ist passiert? Was hat dich von all den anderen Müttern unterschieden, die bei ihren Babys geblieben sind?« Ich hatte meine Fragen mit gleichgültiger Stimme gestellt, fast wie eine Journalistin, die Rose für eine Story interviewte, die nichts mit mir zu tun hatte. Das war die einzige Möglichkeit, mit diesem Thema klarzukommen – indem ich mich emotional so weit wie möglich davon entfernt hielt.
Rose starrte auf ihre Hände, die zusammengefaltet in ihrem Schoß lagen. »Meine Gefühle waren das genaue Gegenteil. Weder habe ich geweint noch geschluchzt – ganz im Gegenteil. Ich war so froh, eine Mum zu sein, dass ich ausgehen und feiern wollte. Das Problem war allerdings, dass ich das nur noch tun wollte. Ich
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