Tatsächlich Liebe in Notting Hill: Roman (German Edition)
erwiderte Rose leise.
»Das ist deine Entschuldigung?«, polterte ich los und sprang auf. »Du hast jemanden kennengelernt? Du hast deine Familie für immer im Stich gelassen, weil dich ein Typ in einer Bar angebaggert hat?«
»Nein, so war es nicht, Scarlett. Bitte, setz dich wieder hin, ja?« Rose deutete mit der Hand aufs Sofa. »Ich versuche ja gerade, es dir zu erklären.«
Trotzig ließ ich mich wieder auf dem Sofa nieder.
»Du hast doch gesagt, du willst die ganze Geschichte hören«, erklärte Rose sanft.
»Dann erzähl sie mir auch«, erwiderte ich, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich in die Sofakissen zurück. »Erklär mir, warum du nicht zurückgekommen bist.«
Rose trank einen Schluck Kaffee, als könne mich dieser kurze Aufschub beruhigen. »Ich habe da einen Mann getroffen«, fuhr sie fort. »Nicht in einer Bar, sondern seltsamerweise in einem Kino. Wie ich war auch er allein dort. Er war ganz anders als dein Vater – das komplette Gegenteil, um ehrlich zu sein.« Rose schien in ihren Erinnerungen zu schwelgen. »Zuerst ist gar nichts passiert, wir waren nur befreundet. Doch nach und nach wurde immer klarer, dass wir beide mehr wollten. Und dann geschah das Unvermeidliche.«
Die Geschichte gefiel mir nicht. Sie erinnerte mich viel zu sehr an meine eigene.
»Er lebte im Ausland – genauer gesagt in Frankreich, an der Südküste. Er bat mich, mit ihm zu kommen, und ich willigte ein. Er schien der perfekte Seelenverwandte für mich zu sein.« Rose kehrte aus ihren Träumereien wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. »Scarlett, du musst dieses Gefühl doch kennen, wenn man eine ganz besondere Person kennenlernt? Man fühlt sich einfach wunderbar in ihrer Gegenwart. Und wenn man mal nicht zusammen ist, ist einem ganz elend und einsam zumute. Nach einer Weile werden diese Gefühle dann so intensiv, dass man sich ein Leben ohne diese andere Person nicht mehr vorstellen kann.«
Ich wusste nur allzu gut, wie sich das anfühlte.
»Ich habe mich ziemlich feige fortgeschlichen und das Land verlassen, ohne dass jemand davon wusste.«
»Und Dad und ich? Was war mit uns?«, fragte ich und merkte, wie meine Anspannung wieder stieg.
»Ich habe ein paar Wochen später deinem Vater einen Brief geschrieben, in dem ich ihm erklärte, wo ich war und was ich dort machte. Ich schrieb ihm sogar, dass ich zurückkommen und dich holen würde, nachdem ich mich in Frankreich mit Jacques eingelebt hätte.«
»Aber …«
»Ich weiß – ich bin nicht zurückgekommen. Jedenfalls nicht sofort. Erst ein halbes Jahr später bin ich nach England zurückgekehrt, nachdem mich Jacques für eine andere Frau sitzen gelassen hatte; dies war meine erste Erfahrung damit, wie es ist, wegen einer Jüngeren verlassen zu werden. Ich habe versucht, in Frankreich über die Runden zu kommen, aber da ich der Sprache nicht mächtig war, gab es kaum Jobs für mich. Ich musste also wieder nach Hause kommen. Eine Zeit lang habe ich in Bars gearbeitet – eine Arbeit, mit der ich schon des Öfteren schlechte Zeiten überbrücken konnte. Die Arbeitszeiten waren jedoch nicht gerade günstig, um sich um ein kleines Baby zu kümmern, deswegen habe ich mir geschworen, mich mit dir und Tom zu treffen, sobald mein Leben wieder in geordneten Bahnen verlief. Ich erwartete zwar nicht, dass Tom mich wieder bei sich aufnehmen würde, aber ich wollte dich unbedingt wiedersehen. Mir war klar: Nur wenn ich einen anständigen Beruf und eine gemütliche Wohnung vorweisen konnte, hätte ich vielleicht die Chance, das Sorgerecht für dich zu bekommen. Oder dich zumindest regelmäßig sehen zu können.«
»Was ist dann passiert?«
»Ich habe es einfach nicht geschafft, mir eine geregelte Existenz aufzubauen. Na ja, doch, schon irgendwie, aber wieder nur mithilfe eines Mannes. Wieder war es ein reicher Mann, der aber dieses Mal in London wohnte. Scarlett, ich habe damals in einem schrecklich kleinen Zimmer gehaust. Dieser Mann bot mir eine Chance, da herauszukommen, und ich habe sie ergriffen.«
»Auf Kosten deiner Familie«, erwiderte ich tonlos.
Rose nickte traurig. »Keiner dieser Männer wollte Kinder um sich haben, ganz zu schweigen von einem Kind, das nicht das eigene war. Als auch diese Beziehung wieder in die Brüche ging – genau wie alle anderen –, musst du ungefähr zwei Jahre alt gewesen sein.«
»Als ich zwei war, sind wir nach Stratford gezogen.«
»Oh, dahin hat er dich also gebracht? Ich habe lange herauszufinden
Weitere Kostenlose Bücher