Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras
Dichter, er soll in der Stadt sein, ich kenn ihn nicht, weiß nicht was er geschrieben hat, er hat einen Preis bekommen. Jack bringt ihn vielleicht mit, er soll Häuschen kennen lernen, es wäre doch nett!« Emilia krümmte sich, wenn Messalina sie Emilykind nannte, sie haßte es, wenn Philipp von Messalina erwähnt wurde, alle Bemerkungen Messalinas verletzten sie und machten sie verlegen, aber da sie in Alexanders nach Dämonenart hergerichteter Frau mit der Ringkämpferfigur ein Riesenmiststück sah, dem nicht zu entkommen war, eine gewaltige und gewalttätige Dame, das pompöse groteske Denkmal einer Dame, war Emilia immer wieder von ihr eingeschüchtert und begegnete ihr, dem Denkmal, fast wie ein kleines Mädchen, knicksend und zur Denkmalshöhe emporblikkend, was wiederum Messalina aufs neue begehrlich machte, in schwindelnder Bewunderung mit ausgesuchter Höflichkeit. Messalina dachte ›sie ist reizvoll, warum lebt sie mit Philipp? sie liebt ihn, es ist nicht anders möglich, komisch, ich konnte es lange nicht begreifen, vielleicht hat er sie entjungfert, es gibt solche Bindungen, der erste Mann, ich trau mich nicht sie zu fragen, ärmlich, alles an ihr ist abgerissen, eine feine Gestalt ein feiner Kopf, sieht immer gut aus, dieser räudige Pelz, Feh, Lumpenprinzessin, ob sie im Bett was kann? ich glaube es, Jack ist scharf auf sie, Knabenkörper, wenn sie mit Alexander? aber sie kommt nicht zu mir, oder sie kommt mit Philipp, er ruiniert das Mädchen, man müßte sie retten, er nützt sie aus, ein Nichtskönner, Alexander bat ihn um einen Film, was schrieb er? nichts, lachte verlegen, ließ sich nicht wieder sehen, undurchschaubar, verkanntes Genie Kaffeehausliterat in Berlin im Romanischen Café, in Paris im Dome, dabei ernst, die wahre Vogelscheuche, schade um die hübsche Kleine, hat einen sinnlichen Mund.‹ Und Emilia dachte ›was ist es für ein Pech, daß ich sie treffen mußte, immer wenn ich mit Sachen unterwegs bin treffe ich jemand, ich schäme mich, das dumme Plaid, natürlich merkt sie daß ich was verkaufenmuß daß ich auf dem Weg zum Leihamt bin zu den Althändlern sie sieht es mir an, ein Blinder muß es sehen, die anzüglichen Fragen nach Philipp, gleich wird sie sich nach seinem Buch erkundigen, die leeren weißen Seiten liegen zu Haus, ich schäme mich, ich weiß er könnte ein Buch schreiben und er kann nicht, ANGRIFF BEDEUTET WELTKRIEG , was versteht sie? Edwin ist für sie ein Name aus der Zeitung, keine Zeile hat sie von ihm gelesen, sie sammelt Berühmtheiten, Wunderdoktor Gröning war bei ihr, ob es wahr ist, daß sie Alexander prügelt wenn er mit anderen Frauen, was versteht sie? ich muß mich beeilen, das grüne Licht.‹ -
Das grüne Licht. Sie gingen weiter, Bahama-Joe. Josef blinzelte zum alten Wirtshaus zur Glocke hinüber; es war bis auf die Grundmauern abgebrannt und nun als Bretterhütte wieder erstanden. Josef zupfte seinen schwarzen Herrn am Ärmel: »Mister vielleicht Bier trinken wollen? Hier sehr gutes Bier.« Er blickte hoffnungsvoll. »Oh, beer«, sagte Odysseus. Er lachte, Bahama-Joe, das Lachen hob und senkte die breite Brust: Wellen des Mississippi. Er schlug Josef auf die Schulter; der sackte in die Knie. »Beer!« -»Bier!« Sie gingen hinein, gingen in die berühmte alte zerstörte wieder auferstandene Glocke, Arm in Arm, Bahama-Joe, tranken: der Schaum lag wie Schnee auf ihren Lippen.
Vor dem Schreibmaschinengeschäft zögerte Philipp. Er betrachtete die Auslage. Das war falsch. Er traute sich nicht hinein. Die dürre Gräfin Anne - sie war eine überaus geschäftstüchtige, gewissensfreie, herzlose und aller Welt bekannte Dame aus der politischen Kulissenfamilie, die Hitler auf den Reichskanzlerstuhl half, wofür dann Hitler, zur Macht gekommen, die Familie bis auf die dürre Anne ausrottete, eine Nazistin mit dem Opfer-des-Faschismus-Ausweis, das eine von Natur, den Ausweis besaß sie zu Recht -die dürre Gräfin Anne hatte Philipp, den Verfasser eines imDritten Reich verbotenen und nach dem Dritten Reich vergessenen Buches, traurig in einem traurigen Café getroffen, und da sie immer unternehmungslustig und zu einem Gespräch aufgelegt war, hatte sie auch mit Philipp eine Unterhaltung begonnen. Einseitig, sehr einseitig, ›mein Gott, was will sie?‹ - »Sie dürfen sich nicht treiben lassen«, hatte sie gesprochen, »Philipp, wie sieht das aus! Ein Mann mit Ihrem Talent! Sie dürfen sich nicht von Ihrer Frau ernähren lassen. Sie müssen sich
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