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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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leichte zarte Schleier, die richtige Nuttenwäsche, ›das richtige für die Fräuleins‹, schattenfein, mehr zur Anreizung als zur Verhüllung. Die Verkäuferin trug dieselbe Wäsche. ›Ich könnt's ihm zeigen‹, dachte sie. Washington wollte die Wäsche nicht. Er sagte »Kinderwäsche«. Die Verkäuferin dachte ›o weh, er hat ihr schon ein Kind gemachte - ›Sie sollen gute Väter sein‹, dachte sie, ›aber ich möchte kein Kind von ihnen haben. ‹ Er dachte ›man muß jetzt an die Kindersachen denken, man muß alles rechtzeitig besorgen, aber Carla müßte es aussuchen, sie wird wütend sein wenn ich es aussuche und mitbringen - »Nein. Doch keine Kinderwäsche«, sagte er. Was wollte er? Er deutete unentschlossen auf die leichten Gewebe der erotischen Verführung. Die Offiziersfrauen hatten ihre Nachthemden gefunden und blickten Washington böse an. Sie riefen nach der Verkäuferin. ›Er läßt sie mit dem Kind sitzen‹, dachte die Verkäuferin, ›er hat schon eine neue Braut, der schenkt er die Reizwäsche, so sind sie, Schwarze wie Weiße.‹ Sie ließ Washington stehen und schrieb den Verkaufszettel für die Offiziersfrauen aus. Washington legte seine große braune Hand auf ein Stück gelber Seide. Die Seide verschwand wie ein gefangener Schmetterling unter seiner Hand.
    Die schwarze Hand des Negers und die gelblichen schmutzigen Hände der Griechen nahmen die Würfel, schleuderten sie auf das Tuch, ließen sie hüpfen, springen und rollen.Odysseus hatte gewonnen. Josef zupfte ihn an der Jacke: »Mister, wir gehen, schlechte Menschen.« Die Griechen drängten ihn weg. Josef hielt den Musikkoffer fest in der Hand. Er hatte Angst, man könnte das Kofferehen stehlen. Die Musik schwieg für eine Weile. Eine Männerstimme sprach Nachrichten. Josef verstand nicht, was der Mann sagte, aber manche Worte verstand er doch, die Worte Truman Stalin Tito Korea. Die Stimme in Josefs Hand redete vom Krieg, redete vom Hader, sprach von der Furcht. Wieder fielen die Würfel. Odysseus verlor. Er blickte verwundert auf die Hände der Griechen, Taschenspielerhände, die sein Geld einsteckten. Die Bläserkapelle in der Glocke begann ihre Mittagsarbeit. Sie bliesen einen der beliebten dröhnenden Märsche. ›Die macht uns keiner nach.‹ Die Leute summten den Marsch mit. Einige schlugen mit ihren Bierkrügen den Takt. Die Leute hatten die Sirenen vergessen, hatten die Bunker vergessen, die zusammenbrechenden Häuser, die Männer dachten nicht mehr an den Schrei des Unteroffiziers, der sie in den Dreck des Kasernenhofs jagte, nicht an den Graben, die Feldverbandplätze, die Trommelfeuer, die Einkesselung, den Rückzug, sie dachten an Einmärsche und Fahnen. ›Paris wenn da der Krieg aus gewesen wäre, es war ungerecht daß er da nicht aus war.‹ Sie waren um ihren Sieg betrogen worden. Odysseus verlor zum zweiten Mal. Die Würfel fielen gegen ihn. Die Taschenspielerhände zauberten. Es war ein Trick. Odysseus wollte hinter den Trick kommen. Er ließ sich nicht blenden, KEIN NEUER MILITARISMUS ABER VERTEIDIGUNGSBEREITSCHAFT . Josef hob im Lärm der Blaskapelle Odysseus' Musikkasten an sein Ohr. Hatte die Stimme im Kasten eine Botschaft für Josef den Dienstmann? Die Stimme war jetzt sehr eindringlich, ein eindringliches Rauschen. Josef verstand nur hin und wieder ein Wort, Städtenamen, ferne Namen fremde Namen, fremdländisch ausgesprochene Namen Moskau, Berlin, Tokio, Paris -

In Paris schien die Sonne. Paris war unzerstört. Wenn man seinen Augen trauen wollte, konnte man meinen, der zweite Weltkrieg habe nicht stattgefunden. Christopher Gallagher war mit Paris verbunden. Er stand in der Zelle, aus der Washington Price mit Baton Rouge telefoniert hatte. Auch Christopher hielt ein Taschentuch in der Hand. Er rieb sich mit dem Tuch die Nase. Die Nase war großporig und etwas gerötet. Seine Gesichts haut war rauh. Sein Haar rot. Er sah aus wie ein Seemann; er war aber Steueranwalt. Er sprach mit Henriette. Henriette war seine Frau. Sie wohnten in Santa Ana in Kalifornien. Ihr Haus stand am Stillen Ozean. Man konnte sich einbilden, aus den Fenstern des Hauses nach China hinüberzublicken. jetzt war Henriette in Paris. Christopher war in Deutschland. Christopher vermißte Henriette. Er hatte vorher nicht gedacht, daß er sie vermissen würde. Sie fehlte ihm. Er hätte sie gern bei sich gehabt. Er hätte sie besonders gern in Deutschland bei sich gehabt. Er dachte ›wir sind so förmlich miteinander, woran liegt das

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