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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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wieder die Nägel schneiden, Semmelweis, den verfilmen sie nun auch, hab's in der Zeitung gelesen, ob sie eine Metritis zeigen? war doch ganz schön, in Großaufnahme, könnt abschrecken, könnt von allem möglichen abschrecken, mein Leben wird niemand verfilmen, ist mir auch recht‹. Er sagte: »Es geht nicht. Tut mir leid, Frau Carla, es ist nicht zu machen.« Carla hielt sich neben ihm, sie stand neben dem Becken, über dem er sich unter dem kräftigen Strahl des aus dem Nickelhahn fließenden Wassers die Hände schrubbte. Carla blickte auf den Nickelhahn, sie blickte auf das Wasser, sie blickte auf den Seifenschaum, auf die von der Seife, von der Bürste und von dem warmen Wasser krebsroten Hände des Arztes. Sie dachte ›Metzgerhände, richtige Metzgerhände‹. Sie sagte: »Das können Sie doch nicht machen, Herr Doktor.« Ihre Stimme klang unsicher und gepreßt. Der Arzt sagte: »Ihnen fehlt nichts. Sie sind schwanger. Wahrscheinlich im dritten Monat. Das ist alles.« Carla fühlte, wie ihr übel wurde. Es war die widerliche würgende Übelkeit der Schwangeren. Sie dachte ›warum kommen wir so zur Welt?‹ Sie hätte sich den Leib schlagen mögen, diesen wiederanschwellenden, wie ein Kürbis wachsenden Leib. Sie dachte ›ich muß mit ihm reden, ich muß doch mit ihm reden, aber ich kann jetzt nicht mit ihm reden‹. Sie sagte: »In Ihrer Praxis sagten Sie doch, ich solle kommen.« Der Arzt sagte: »Ich habe garnichts gesagt. Sehen Sie, der Vater will das Kind haben. Ich kann da garnichts machen.« Sie dachte ›er war hier, der schwarze Schuft war hier, er hat mir den Arzt vermiest, jetzt will der Frahm nicht mehr, jetzt will er nicht mehr und was hab ich ihm alles gegeben‹. Es reute sie, daß sie dem Arzt so viel Kaffee, Zigaretten und Schnaps gegeben hatte. Ihr wurde immer übler. Sie mußte sich am Becken festhalten. Sie dachte ›ich muß mich übergeben, ich kotz ihm über seine Hände, über seine widerlichen roten Metzgerhände, wo diese Hände einem überall hinlangen, immer kurzgeschnittene Fingernägel, langen einem direkt ins Leben rein‹. Sie sagte: »Ich will aber nicht! Verstehen Sie, ich will nicht!« Sie würgte und brach in Tränen aus. ›Ihr wird gleich schlecht werdem, dachte Frahm. ›Sie sieht käsig aus.‹ Er schob ihr einen Stuhl hin. »Setzen Sie sich!« Er dachte ›hoffentlich wird sie nicht auch noch hysterisch, würd mich schön in die Nesseln setzen wenn ich ihr's wegmachen Da er den Stuhl angefaßt hatte, mußte er sich noch einmal die Hände einseifen. ›Werd ihr mal zureden, dachte er, ›hilft bei den Weibern immer, weinen sich aus und nachher sind sie glückliche Mütter.‹ Er sagte: »Nun seien Sie doch vernünftig. Ihr Freund ist ein guter Kerl. Ich sag Ihnen, der wird ein prima Vater. Der wird für Sie und für das Kind sorgen. Passen Sie nur auf, was das für ein hübsches Kind gibt. Verständigen Sie mich nur rechtzeitig; ich mach Ihnen die Geburt. Wir machen's schmerzlos. Sie spüren nichts, und nachher haben Sie das Baby.« - ›Ich werd's ihr an die Brust legen, dachte er, hoffentlich wird sie's liebhaben, sieht nicht so aus, armes Wesen, noch im Dunkeln und schon gehaßt, aber wenn der Vater drauf besteht, was kann ich tun? der Vater müßte das Leben doch kennen.‹ Sie dachte Washington dieser Schuft, Frahm dieser Schuft, dashaben die beiden Schufte sich so ausgedacht, ich kann dabei drauf gehen ‹. Sie sagte: »Ich geh zu irgendwem.« Sie dachte ›zu wem? Frau Welz kennt sicher jemand, die Huren kennen sicher jemand, ich hätte den Huren die Zigaretten und den Kaffee geben sollen. - »Das werden Sie nicht tun«, sagte Frahm. »Nun machen Sie Schluß, Frau Carla. Das ist viel gefährlicher, als Sie denken. Nachher kann Ihnen niemand mehr helfen. Meinen Sie, ich schrubb mir die Pfoten zum Vergnügen? Oder weil mich ekelt? Mich ekelt schon lange nicht mehr.« Er wurde allmählich schlechter Laune. Die Frau hielt ihn auf; er konnte ihr nicht helfen. Sie dachte ›ich kotz ihm doch noch über seine Hände, da hätt er was Feines, hätt was Feines auf seinen Metzgerhänden, da könnt er Schrubbern. - »Ist alles nicht so tragisch«, sagte Frahm. ›Es ist der Tod‹, dachte Carla.
    ›Es ist entsetzlich‹, dachte Frau Behrend. Was sie für ein Pech hatte! Da war sie ausgegangen, um im Domcafe friedlich gemütlich mit den Damen zu plauschen, da war sie von der verlorenen Tochter gestört und aufgeregt worden, kein friedlich gemütlicher Plausch hatte sich

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