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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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Mann mit dem schönen schwarzen Hut, der etwas von einemalten Lord an sich hatte, etwas von einem alten Geier und etwas von einem alten Zuhälter, einer von Philipps Dichtern war. Sie erinnerte sich dann an eine Photographie Edwins, die Philipp eine Zeitlang an seinem Arbeitsplatz über dem Stoß des weißen unbeschriebenen Papiers an die Wand geheftet hatte. Emilia dachte ›das ist also Edwin der große preisgekrönte Schriftsteller, so einer wie Edwin möchte Philipp werden, vielleicht wird er es, ich hoffe und ich fürchte es, wird Philipp dann wie Edwin aussehen? so alt? so vornehm? ich glaube er wird weniger vornehm aussehen, er wird weniger wie ein Lord und auch weniger wie ein Geier aussehen, wie ein alter Zuhälter wird er vielleicht aussehen, früher sahen die Dichter anders aus, ich möchte nicht daß Philipp Erfolg hat, wenn er Erfolg hätte, könnte er mich verlassen, ich möchte aber doch daß er Erfolg hätte, er müßte so viel Erfolg haben daß wir wegfahren könnten und immer Geld hätten, wenn wir aber auf diese Weise zu Geld kämen hätte Philipp das Geld, ich möchte nicht daß Philipp das Geld hat, ich möchte das Geld haben ‹. Emilia kannte sich ganz gut. Sie wußte, daß sie Philipp, wenn es ihr doch noch gelänge, eins ihrer Häuser zu verkaufen, daß sie dann Philipp ein reichliches Taschengeld geben, daß sie ihn aber immer bei seinen verzweifelten Versuchen, zu arbeiten und das lange geplante Buch zu schreiben, stören würde. ›Ich würde vor keiner Gemeinheit zurückschrecken, ich würde so schlimm wie noch nie sein, ich würde ihm keine ruhige Stunde lassen, der arme Philipp, er ist so gut.‹ Oft überfiel sie Rührung, wenn sie an Philipp dachte. Sie überlegte, ob sie versuchen sollte, Edwin kennenzulernen. Es war eine Gelegenheit, die sich Messalina nicht hätte entgehen lassen. ›Sie hätte versucht ihn auf ihre Party zu schleppen, armer Edwin‹, Emilia würde Edwin auf kein Fest führen. Aber sie dachte, daß es Philipp verblüffen würde, wenn sie ihm erzählen könnte, daß sie Edwin kennen gelernt hätte. Edwin kramte im Laden von Frau de Voss unter den Antiquitäten. Er betrachtete Miniaturen. Erhatte feine lange, am Ansatz des Gelenks stark behaarte Hände. Er betrachtete die Miniaturen durch eine Lupe, was ihm noch mehr das Gesicht eines Geiers gab. Frau de Voss zeigte Edwin eine Rosenholzmadonna. Die Madonna hatte Philipp gehört. Emilia hatte sie Frau de Voss verkauft. Edwin betrachtete die Madonna durch die Lupe. Er fragte nach dem Preis der kleinen Madonna. Frau de Voss flüsterte den Preis. Emilia sollte den Preis nicht hören. ›Sie wird wahnsinnig aufgeschlagen haben‹ dachte Emilia. Edwin stellte die schöne Rosenholzplastik wieder auf den Tisch. Emilia dachte ›er ist geizig‹. Frau de Voss wandte sich, von Edwin enttäuscht, an Emilia: »Was bringen Sie, Kindchen?« Sie nannte Emilia immer Kindchen. Frau de Voss begegnete Kunden, die etwas verkaufen wollten, mit der Herablassung einer früheren Hofdame und der Strenge einer Lehrerin. Emilia stotterte etwas. Sie schämte sich, vor Edwin das lächerliche schottische Plaid zu öffnen. Dann dachte sie › war um schäm ich mich? wenn er mehr Geld hat als Philipp hat er eben Glück gehabte Sie reichte Frau de Voss eine Tasse. Es war eine Tasse der Berliner Manufaktur. Die Tasse war innen vergoldet und zeigte außen ein Miniaturbildnis Friedrichs des Großen. Frau de Voss nahm die Tasse und stellte sie auf ihren Schreibsekretär. Emilia überlegte ›jetzt handelt sie nicht mit mir, sie muß jetzt ihr freundliches Gesicht zeigen weil Edwin da ist, erst nachher wird sie mir ihr wahres Gesicht zeigen‹. Edwin fand unter den Antiquitäten nichts, was ihn interessiert hätte. Alles in diesem Laden war zweitrangig. Die kleine Madonna war zu teuer. Edwin kannte die Preise. Er war kein Sammler, aber hin und wieder kaufte er eine Altertümlichkeit, die ihm gefiel. Er war aus Langeweile in den Laden der Frau de Voss gekommen. Er hatte sich in dieser Stadt plötzlich gelangweilt. Wenn man am Nachmittag durch ihre Straßen ging, war die Stadt weder besonders traditionsreich noch abgründig. Sie war gewöhnlich, eine Stadt mit gewöhnlichen Menschen. Vielleicht würde Edwin den Nachmittagin dieser Stadt in seinem Tagebuch beschreiben. Das Buch sollte nach seinem Tode erscheinen. Es sollte die Wahrheit enthalten. Im Licht der Wahrheit würde der Nachmittag in dieser Stadt nicht mehr gewöhnlich sein. Edwin nahm Emilias

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