Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
mal durch. Als wir das Genesungsheim verließen, hatte Yolanda die Tasche dabei. Ich konnte mich noch eindeutig erinnern, dass sie sie während der Fahrt auf dem Schoß gehalten hatte. Ihre Haltung hatte so züchtig gewirkt. Ich hatte noch das Bild vor Augen. Aber was war, als wir zu Hause ankamen? Bobby war da. Er und ich verschwanden für ein paar Stunden. Präriehunde. Löcher graben. Sie hätte reichlich Zeit gehabt, die Tasche zu verstecken.
In der Tasche befand sich irgendetwas, was bei ihrer Ankunft nicht drin gewesen war.
Aber warum hatte sie sie nicht mitgenommen?
Alejandro. Er war ihre Mitfahrgelegenheit. Falls sie etwas Wertvolles in der Tasche hatte, konnte sie ihm damit nicht trauen. Niemand konnte ihm trauen. Was es auch war, sie fürchtete, Alejandro würde es ihr wegnehmen. Vielleicht hatte er die Angewohnheit, ihre Taschen zu durchstöbern. Also versteckte sie ihre Tasche, um sie später zu holen. Durch Pops Tod hatte sie zum ersten Mal Gelegenheit dazu.
Sie konnte überall sein. Das Haus war riesig und total vollgestellt. In jedem Zimmer herrschte ein solches Durcheinander, dass man problemlos mittendrin ein Flusspferd verstecken konnte. Als ich meinen Kaffee austrank, graute mir schon davor, das ganze Haus durchsuchen zu müssen. Es würde Tage dauern, vielleicht Wochen. Und ich würde nach etwas suchen, das vielleicht gar nicht da war.
Dann sah ich sie. Ich schaute genau drauf. Direkt vor meiner Nase. Nicht die Reisetasche. Die Blumen. Mitten auf dem Esstisch.
Sie waren verwelkt, aber als Yolanda sie dort hingestellt hatte, waren sie noch frisch und schön gewesen. Bis dahin hatte ich die weißen, glockenförmigen Blumen nicht sonderlich beachtet.
Die Pflanze kannte ich. Wir nannten sie Grabenkraut. Ihren richtigen Namen kannte ich nicht. Sie wuchs wild überall im Tal. Endlich fand ich einen praktischen Nutzen für meine Erfahrung mit halluzinogenen Drogen. In der Highschool hatten Bobby und ich entweder vom Cousin eines Mitschülers oder aus einer zerfledderten Ausgabe der High Times erfahren, dass man high wurde, wenn man diese Pflanze aß. In meiner ewig währenden Langeweile nahm ich als Jugendlicher diese Information als Expertentipp an. Aufgrund ähnlicher Informationen hatte ich schon Oregano geraucht, Frösche abgeleckt und zwei Flaschen Hustensaft auf einmal getrunken.
Oregano und Frösche hatten keinerlei Wirkung und Hustensaft ist für den geringen Effekt relativ teuer. Grabenkraut würde ich auch nicht empfehlen, außer man findet Vergnügen an Herzrasen, einem trockenen Mund, der Unfähigkeit zu pinkeln und Verstopfung.
Natürlich konnte Yolanda die Tasche nicht im Haus verstecken. Sie musste sicher sein, dass sie auch drankam. Das Haus könnte abgeschlossen sein, und ich war nicht eingeweiht. Wenn sie die Tasche im Haus gelassen hätte, auch versteckt, hätte ich sie vielleicht gefunden. Aber draußen … Dass ich mich um die Gartenarbeit drückte, konnte jeder sehen. Etwas zu verstecken, wo niemand nachsieht, ist kein Problem.
Ich zog meine Stiefel an und ging hinaus in den warmen Morgen. Ich zündete mir die erste Zigarette des Tages an und fühlte, wie meine Synapsen in Aktion sprangen und mein Kopf klar wurde. Die Flintenschüsse waren so laut und nah, als wären sie in meinem Kopf. Ich blickte in die aufgehende Sonne und sah ein Dutzend Jäger auf Feldern und Grabenböschungen. Sie stapften freudlos durch den Lehm und hoben regelmäßig ihre Flinten in die Luft, um Schüsse abzugeben. Am zweiten Tag der Taubenjagdsaison war das Töten bereits Routine geworden.
Ich begann an der Wasserpumpe mit der Suche und lief dann einmal ums Haus, den Blick auf die Erde gerichtet.
Tatsächlich wuchs an der niedrigen, verputzten Mauer seitlich des Hauses etwas Grabenkraut. Es gab nur noch wenige der typischen weißen Blüten. Als ich mich den Pflanzen näherte, schlug mir der Geruch entgegen. Ich hatte vergessen, wie penetrant der war. Die Blumen rochen nach verrottendem Müll.
Ich kniete mich hin und untersuchte den Bereich rund um die Pflanzen, ohne zu wissen, wonach. Ich wusste nur, dass ich suchen musste. Was mir auffiel, war nicht, was da war, sondern was nicht da war. Ich fand ein frisches Erdloch. Groß genug für eine Reisetasche.
Ich fuhr mit den Fingern durch die noch immer sichtbaren, feinen Linien in der Erde, die die kleinen Hände beim Graben des Lochs hinterlassen hatten. Was auch immer Yolanda dort versteckt haben mochte, was auch immer sie am Abend von Pops
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