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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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schon befürchtet, Tomás hätte es einfach nur versprochen, aber sich nie darum gekümmert. Ich war nicht sauer. Ich machte ihm keine Vorwürfe. Es war eine verrückte Bitte. Ich war erleichtert und überrascht, als der Anruf kam. Die Alternative wäre noch ein Ausflug über die Grenze nach Mexicali gewesen, auf den ich nicht scharf war. Wenn ich nie wieder einen Fuß in diese Stadt gesetzt hätte, hätte mir nichts gefehlt.
    Es war neun Uhr morgens, ich stand im überschwemmten Keller bis zu den Waden im Wasser und versuchte, die Sumpfpumpe zu reparieren, als auf einmal mein Handy klingelte. Ich war schon auf einem Frosch ausgerutscht, den ich in dem trüben Wasser nicht bemerkt hatte, und nicht gerade bester Laune. Die Brühe roch wie das ländliche Florida, und meine Taschenlampe flackerte. Verständlicherweise war Yolanda nicht das Erste, was mir in den Sinn kam, als ich den Ruf entgegennahm.
    »Hallo?«, sagte ich barsch, als ich auf etwas Glitschigem ausrutschte, das sich in der trüben Brühe bewegte.
    »Jimmy?«, sagte der Anrufer mit einem Akzent. Die Stimme erkannte ich nicht.
    »Ja, hier ist Jimmy.«
    »Wir haben Yolanda gefunden«, sagte die Stimme.
    Ich brauchte eine Sekunde, um zu verstehen, worum’s ging. »Großartig. Wer ist denn da? Tomás hat gesagt, er würde anrufen.«
    »Tomás dreht heute. Hier ist Alejandro. Tomás hat gesagt, ich soll diese Nummer anrufen und dir Bescheid sagen.«
    »Soll ich alles mit dir absprechen?«
    »Tomás hat gesagt, ich soll dir helfen«, antwortete er.
    Ich ging vorsichtig in Richtung Kellertreppe, um mich zu setzen. Ich trat auf einen Frosch und schlitterte fast einen Meter, konnte aber mein Gleichgewicht halten.
    Ich setzte mich auf eine Stufe. »Soll ich sie abholen oder kannst du sie zu mir bringen? Ich will sie zu einem bestimmten Ort mitnehmen, auf dieser Seite der Grenze. Wie mache ich das? Soll ich sie abholen oder bringst du sie? Wie machen wir das?«
    »Tomás hat gesagt, ich soll sie morgen Abend zur cantina von seinem abuelo bringen. Mittwoch, wenn das für dich in Ordnung ist.«
    »Klar. Ist sie … Weiß sie, warum sie kommen soll? Ihr zwingt sie doch nicht, oder?«
    Darauf folgte eine lange Pause. Das Einzige, was ich hörte, war irgendwas, das sich im Wasser auf der anderen Seite des Kellers bewegte. Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe in die Richtung und sah nur, wie sich das Wasser kräuselte. Der Keller machte mir langsam Angst. Beim ersten Anzeichen von Fangarmen würde ich die Treppe hochrennen.
    Schließlich sagte Alejandro etwas. »Tomás zwingt die Frauen zu gar nichts. Er hat sie gefragt. Sie war einverstanden. Sie ist eine Arbeiterin, und das ist ihre Arbeit.«
    »Mittwoch um wie viel Uhr?«
    »Zehn. Spätestens elf. Kommt auf die Grenze an, den Verkehr.«
    »So spät? Sie soll über Nacht bleiben«, sagte ich.
    »Tomás hat gesagt, dass du das willst. Du kannst sie zurückbringen. Gleicher Ort, gleiche Zeit. Falls ein Tag genug ist.« Den letzten Satz sagte er, als wäre es ein Scherz, den ich aber nicht verstand.
    »Mehr als genug. Bestell Tomás einen schönen Dank.«
    »Sí. Mañana.« Er legte auf.
    Wie erstarrt hielt ich das Handy an mein Ohr. Ich betrachtete das braune Wasser, das den Keller füllte. Wo kam nur all das Wasser her? Ich war mitten in der Wüste, und im Haus gab es ein Planschbecken.
    Ich sah die Treppe hoch. Ich musste wohl noch ein bisschen mehr sauber machen, denn ich sollte Besuch bekommen.
     
    Ich hatte die Woche zuvor damit verbracht, Pop zu besuchen und im Haus zu arbeiten. Das Valley war von einer Hitzewelle heimgesucht worden. Die Temperatur stieg auf fünfzig Grad. Ob man’s glaubt oder nicht, es gibt einen Riesenunterschied zwischen fünfundvierzig und fünfzig Grad. Fünf Grad, um genau zu sein. Ich konzentrierte mich auf das Innere des Hauses: aufräumen und putzen. Wenn alle Vorhänge zugezogen waren und alle Ventilatoren liefen, war es erträglich. Hitze hin oder her, wegen meiner Verletzungen bewegte ich mich im Schneckentempo. Nur gut, dass ich es nicht eilig hatte. Ich arbeitete langsam und nicht sehr effektiv. Ich wollte eigentlich Bücher sortieren und fing an, stundenlang zu lesen. Ich wollte dreißig Jahre alte Kataloge wegwerfen und stellte fest, dass dreißig Jahre alte Kataloge faszinierend sein konnten. Jedes Zimmer war wie ein versunkenes Piratenschiff voller eigenartiger Schätze. Pop hatte das Haus gebaut und Pop hatte sein ganzes Leben darin gewohnt. Jedes Zimmer war mit Schichten

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