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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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Señor Veeder puede para tú. Er hat nach dir gefragt. Er hat nicht mehr lang zu leben«, hatte ich gesagt, nach den richtigen Worten suchend.
    Daraufhin hatte sie mich auf die Wange geküsst und war durch den Flur gelaufen. Ich hatte ihr nachgeschaut, bis sie im Schlafzimmer war, und sie hatte mir ein leises, müdes Lächeln geschenkt und mir sachte zugewinkt, bevor sie die Tür schloss.
    Das Frühstück verlief sehr angenehm. Wir sagten kaum ein Wort, während wir Eier und Toast aßen, aber es war kein peinliches Schweigen. Es war ein Schweigen, wie es bei alten Paaren nach vierzig Jahren möglich ist. Ich frühstückte mit einer Prostituierten, die ich für meinen Vater aufgetrieben hatte, und es schien völlig normal. Sogar besser als normal. Yolanda sah von ihrem Frühstück auf und schenkte mir ein Lächeln, das mich alles andere vergessen ließ.
    Ich lächelte zurück und sagte: » Bueno huevos «, weil ich ein Schwachkopf bin.
    »Gracias« , sagte sie, reichte hinüber und strich mir das Haar aus dem Gesicht. »Muy guapo. Parecido a tu padre.«
    Normalerweise werde ich nicht rot. Das passiert einfach nicht. Aber in dem Moment merkte ich, wie mein Gesicht knallrot anlief. Ich sah auf meinen Teller hinunter. Das dreiminütige Schweigen, das darauf folgte, war nicht mehr so friedvoll wie vorher. Yolanda machte mich nervös, wie eine Frau, die man kaum kennt, einen eben nervös macht, wenn man sich in sie verknallt hat.
    Schließlich sagte Yolanda: »Me gusta su padre. Me gusta Jack.«
    Ich mag Ihren Vater. Ich mag Jack. Das war die Bedeutung ihrer Worte, aber ich war nicht in der Lage, feine Bedeutungsunterschiede herauszuhören. Ich mag Ihren Vater. Ich mag Jack. Meinte sie mögen oder einfach nur mögen? Sie kannten sich. Das war ziemlich klar. Aber was hieß das? Ich wusste, dass Pop sie mochte. Er
hatte mich ja gebeten, sie zu suchen. Plötzlich schien ich nicht mehr zu wissen, was »mögen« bedeutete. Als Antwort fiel mir nur ein, mit den Achseln zu zucken und mir den Mund mit Ei vollzustopfen.
    Yolanda erlaubte mir nicht zu spülen und ging sogar so weit, mir spielerisch auf die Finger zu schlagen, als ich nach einem Teller griff. Ich zeigte Yolanda das Badezimmer und die Dusche und versuchte, ihr das Problem mit dem kalten Wasser und dem Wasserdruck zu erklären. Aber dann fiel mir ein, dass sie vielleicht, je nachdem, wo sie aufgewachsen war, kalte Duschen gewohnt war. Eine Viertelstunde lang radebrechte ich auf Spanisch und wiederholte schwachsinnig immer wieder: »Agua frío.« Ich versuchte, ihre Worte zu deuten, bis ich begriff, dass sie versuchte, mir begreiflich zu machen, dass sie schon geduscht hatte, als ich noch schlief. Was wäre das Leben ohne ein bisschen Komik?
    Nachdem ich geduscht und mich angezogen hatte, konnte ich Yolanda nirgendwo finden. Ich ging von einem Zimmer zum anderen. Ich erwartete, sie würde irgendwo auf einem Stuhl sitzen oder ein Buch durchblättern, aber sie war gar nicht im Haus. Ganz kurz geriet ich in Panik, überzeugt, das Ganze wäre ein ausgeklügelter Plan und sie wäre nur gekommen, um Pop zu beklauen. Aber dann sah ich mich im Haus um und kam wieder zur Vernunft. Wem wollte ich was vormachen? Es gab vielleicht ein paar Sachen, die zu stehlen sich lohnen würde, aber man brauchte schon Glück, um sie in dem Chaos zu finden.
    Schließlich fand ich Yolanda, die ums Haus lief und Granatapfelkerne aus einer aufgebrochenen Frucht aß. Anmutig nahm sie jeden Kern einzeln aus der Schale und steckte ihn in den Mund. Ich konnte die sachten Bewegungen ihres Kiefers sehen, wie sie jeden Kern zwischen ihre Vorderzähne schob und dann zerkaute. Jeden Kern einzeln. Bei diesem Tempo würde sie drei Tage brauchen, um den Granatapfel aufzuessen. Sie sah mich, lächelte und hielt mir die Frucht hin. Ich schüttelte mit dem Kopf und ging zu ihr.
    Sie setzte sich auf die Betonplatte neben dem Objekt meiner Angst, der Wasserpumpe. Ich sah die Pumpe böse aus dem Augenwinkel
an, wie um ihr zu zeigen, wer hier der Boss war (sie war’s natürlich). Yolanda aß weiter mit rot gefärbten Fingern ihren Granatapfel. Ich setzte mich neben sie. Die ganze nächste Stunde saßen wir einfach nur da. Yolanda arbeitete sich Kern für Kern vor, und ich sah ihr dabei zu. Schweigen ist Gold, vor allem wenn man einander nicht versteht. Alles in allem war Yolandas Gesellschaft sehr angenehm. So schön hatte ich seit langem keinen Morgen mehr verbracht.
    Wir kamen gegen halb eins im Genesungsheim an.

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