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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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Schule fertig waren und der Sommer zu Ende ging, da fingen wir an, uns auseinanderzuleben. Wir wussten ja beide, ich würde zur Uni gehen und sie würde auf dem Imperial Valley College bleiben, und ich glaube, wir beide wussten, dass es das Ende bedeutete. Zwei Jahre. Und ein paar Wochen später war alles vorbei.«
    »Habt ihr’s denn versucht?«
    »Bis zu den ersten Weihnachtsferien, aber wir waren halt noch so verdammt jung. Ich war endlich frei. Wir haben uns nie richtig getrennt, wir haben uns nur immer seltener geschrieben und angerufen. Wir haben es einfach zu Ende gehen lassen.«
    »Das ist echt Kacke. Mit einem großen Knall weiß man wenigstens, wo man dran ist. Ich beende Beziehungen gern mit einer Explosion. Manchmal buchstäblich.«
    »Ich habe immer bedauert, wie es zu Ende gegangen ist. Das entsprach gar nicht unseren Gefühlen. Aber wir waren einfach so jung, dass wir nicht wussten, was wir tun sollten. Ich denke viel zu oft an sie.«
    Vielleicht war es der Alkohol, vielleicht wollte ich auch einfach nur mal drüber reden, aber auf jeden Fall tat es gut, es jemandem zu erzählen.
    Als ich zurückkam, hatte Yolanda sowohl Küche als auch Esszimmer sauber gemacht. Sie hatte gefegt, gewischt, Zeitungen sortiert und sogar ein paar Blumen und eine Vase gefunden, die sie mitten auf den Esstisch gestellt hatte. Ich konnte mich nicht
erinnern, draußen irgendwo Blumen gesehen zu haben. Sie rochen furchtbar, aber sie brachten Tisch und Zimmer zum Strahlen. Mit den Blumen wirkte es irgendwie noch sauberer.
    Als ich geduscht und mich angezogen hatte, war es an der Zeit, Yolanda zur Morales Bar zurückzubringen.
    »¿Estás lista?« , fragte ich.
    »Sí« , sagte sie und stand von der Couch auf, um zur Tür zu gehen.
    »Ich möchte dich bezahlen. Pagar tú, por favor «, sagte ich und holte mein Portemonnaie mit den zehn Zwanzigern heraus, die ich ihr geben wollte. Ich wusste nicht, ob das viel oder wenig oder eine Beleidigung war, aber ich wollte bezahlen. Pop hätte das auch gewollt, da war ich sicher.
    »No« , sagte sie lächelnd, nicht verärgert oder beleidigt, aber bestimmt. »Ya está pagado.«
    »Ich möchte aber«, sagte ich und hielt ihr das Geld hin.
    »Gracias, no« , sagte sie und ging zur Haustür. Ich steckte das Geld in die Tasche und folgte ihr über die Straße.
    Alejandro wartete bei seinem Kleinbus. »Alles in Ordnung mit ihr? War sie nach deinem Geschmack?«
    Ich nickte und blickte Yolanda an, die an der Bustür stand, mit einem ihrer langen Beine schon drinnen.
    Sie stellte ihren Fuß wieder auf den Boden und kam zu mir. Sie war so nah, dass ihre Brüste mich streiften. Sie blickte mir tief in die Augen, bis ich lächeln und meinen Blick abwenden musste. Dann küsste sie mich auf die Wange und wischte den Lippenstift mit ihrem Daumen ab.
    »Danke«, sagte ich. »Gracias.«
    Sie schloss die Augen und küsste mich sanft auf die Lippen. Dann stieg sie hinten in den Bus ein. Und dann war sie weg.

Zwölf
    Direkt nach Yolandas Besuch ging es mit Pop noch schneller bergab. Als hätte er keinen Grund mehr gehabt weiterzuleben. Es gab einfach nichts mehr für ihn zu tun. Als wenn er von einer Klippe gestürzt wäre und sich so lange im freien Fall befunden hätte, dass alles Schreien und Kämpfen sinnlos geworden war. Er überließ sich einfach der Schwerkraft und genoss den Sturzflug.
    Ich versuchte, mir den Krebs wie eine kleine Armee vorzustellen, die in den Körper einfällt und sich verstreut. Kleine, grüne Soldaten, in bekannten Posen erstarrt, die sich durch den Blutstrom bewegen, Organe überfallen und auf dem Schlachtfeld des Fleisches gefallene Antikörper zurücklassen. Aber meistens sah ich etwas anderes vor mir. Wenn ich das Wort »Krebs« hörte, stellte ich mir eine hüttenkäseartige Substanz vor, die sich über Fleischberge ergießt. Eine Blasen werfende, stückige, weiße Masse, die sich über die Körperzellen verbreitet und nur Krankheit und Verfall in Form von schleimiger, schwarzer Gallerte hinterlässt.
    Ich ging mal mit einem Mädchen, das keine konventionellen Medikamente nehmen wollte. Sie hatte es mit chinesischen Kräutern und Naturheilmitteln. Sie betrieb Akupunktur, ging zu einem Chiropraktiker und einem Naturheilkundler und hatte bedingungsloses Vertrauen in die Homöopathie. Wenn sie Kopfschmerzen
hatte, kochte sie einen Tee aus Zweigen, der in ihrer Wohnung einen Geruch verbreitete wie am letzten Tag des Burning-Man-Festivals. Sie glaubte, dass alles Natürliche,

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