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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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auf und überlegte, wo ich wohl war und was vor sich ging. Aber ich fand es schnell heraus. Ich lag auf der Grabenböschung hinter meinem Haus, von Feuerameisen übersät. Ich betrachtete fasziniert die Prozession roter Ameisen auf meinem nackten Oberkörper. Die meisten gingen einfach ihrer normalen Beschäftigung nach, aber ein paar hielten an, um zuzubeißen. Ich sprang auf, wischte hektisch an meinem Körper herum und zappelte wie ein Verrückter. Mein verkatertes Hirn war damit gar nicht einverstanden. Ich war so schnell aufgestanden, dass ich sofort wieder umfiel und beinah ohnmächtig wurde. Dann schwand meine Benommenheit und wurde von hämmernden Schmerzen tief in meinem Schädel abgelöst.
    Ein weiterer Flintenschuss war zu hören. Da fiel mir ein, dass wir den ersten September hatten. Es war der erste Tag der Taubenjagd.
    »Was zum Teufel …?«, hörte ich aus dem Graben unter mir.
    Während ich mir noch immer Ameisen vom Körper wischte, sah ich runter in den Graben. Da lag Bobby auf dem Rücken und blickte zu mir hoch. Er lächelte und hielt sich eine Hand schützend vor die Augen. »Was machst du denn da?«, fragte er.
    »Ameisen«, sagte ich.
    Bobby sah an sich herunter. »Hier unten nicht. Du hättest so schlau sein sollen wie ich und im Wassergraben übernachten.«
    »Die fressen mich bei lebendigem Leibe«, sagte ich und rannte zum Haus.
    »Hey, Jimmy! Setz Kaffeewasser auf!«, hörte ich ihn rufen.
    Ich eilte unter die Dusche und drehte den Wasserhahn auf. Nichts. Nicht einmal das gewohnte dünne Rinnsal. Nicht ein Tropfen.
    »Komm schon!«, schrie ich das leblose Scheißding an. Ich hüpfte aus der Dusche und versuchte es am Waschbecken. Auch da nichts. Es gab überhaupt kein Wasser.
    Ich zog mich ganz aus und rieb meinen trockenen Körper zehn Minuten lang mit einem Handtuch ab, bis ich sicher war, dass keine Ameisen mehr auf mir herumkrochen. Aber auch ohne die Insekten kribbelte meine Haut.
    Ich musste wirklich duschen. Ich war vom Schlafen in der Sonne unangenehm erhitzt. Ich zog Shorts und ein Unterhemd an und wusch mir dann das Gesicht mit Tonic Water aus dem Kühlschrank. Die eiskalte Flüssigkeit kühlte zwar, aber mein Gesicht wurde ganz klebrig. Ich fand meine Sonnenbrille und ging wieder raus.
    Ich ging zur Wasserpumpe, fest entschlossen, das verdammte Ding endgültig zu reparieren. Das hatte ich nun davon, es ständig aufzuschieben. Aber als ich draußen war, hörte ich sofort, dass die Pumpe lief. Es hörte sich an, als würde sie kräftig pumpen, also hätte es im Haus Wasserdruck geben müssen. Dann war wohl das Rohr verstopft.
    Bobby kam von der Grabenböschung herüber, Körper und Gesicht mit Dreck verschmiert. »Hast du Kaffee gemacht?«, fragte er.
    »Komm, hilf mir mal«, sagte ich.
    »Das heißt wohl nein.«
    »Irgendwas blockiert die Wasserzufuhr zum Haus, wahrscheinlich im Rohr unten im Tank. Ich versuche, es auf die leichte Tour hinzukriegen. Ich lasse einfach eine Leiter runter und hole den Dreck raus.«
    »Ich halte die Leiter. Verstanden.«
    »Du bist hier, damit ich nicht absaufe. Wie ein Bademeister. Das ist dein Job. Du bist dafür verantwortlich, dass ich lebendig wieder rauskomme.«
    »Alles klar.«
    Wir holten hinterm Haus die wackelige Holzleiter und brachten sie zur Wasserpumpe. Ich hob ein Ende der Leiter auf den Betonrand und sah in den Tank hinunter. Ich schluckte so laut, dass es aus der Leere unter mir widerhallte.
    Aus der Tiefe des Tanks starrte Yolanda zu mir hoch, ihr geöffneter Mund mit schwarzem Wasser gefüllt. Nasses Haar klebte ihr seitlich am Gesicht. Moskitos taten sich an entblößter Haut gütlich. Ihr Körper trieb an der Oberfläche, und ihre Glieder waren in dem engen Schacht unnatürlich verbogen. Sie sah aus wie eine Marionette am Boden einer Spielzeugkiste. Schließlich konnte ich die trübe Leere ihrer toten Augen nicht mehr ertragen und wandte meinen Blick ab.

Teil 2

Fünfzehn
    Außer Pop und bei ein paar Beerdigungen mit offenem Sarg hatte ich bis dahin nur eine Leiche gesehen. Mit fünfzehn hatte ich geholfen, einen Toten aus einem Kanal zu ziehen, der dort schon eine Woche gelegen hatte, aufgebläht und von Fischen angefressen. Die gräuliche Haut dieses armen Kerls war so verunstaltet und ausgefranst, dass sie aussah wie alte Lumpen. Ich habe sein gesichtsloses Gesicht nie vergessen können. In einer so fremden Umgebung bekommt die sterbliche Hülle eines Menschen ein ungeheures Gewicht.
    Filme und Fernsehen erwecken den

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