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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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Eindruck, eine Leiche wäre nichts Besonderes. Wir sind so daran gewöhnt, Schurken spielende Komparsen im Takt von Maschinenpistolen zappeln zu sehen, dass der Tod auf Leinwand oder Bildschirm zur Banalität geworden ist. Bösewichte werden mit immer originelleren Geschossen getötet. Ihre Kumpane drücken ihnen nach einer flapsigen Bemerkung gelassen die Augen zu. Blau geäderte Models liegen als nackte Untersuchungsobjekte der Rechtsmedizin auf Stahlplatten. Es sieht aus, als schliefen sie. Aber sie schlafen nicht. Sie spielen. Sie tun so, als wären sie tot, aber es sieht überhaupt nicht nach Tod aus. Überhaupt nicht wie eine Leiche.
    Eine Leiche mit angsterfüllten Augen ist bar jeder Eitelkeit. Leben ist zu faulendem Fleisch geworden. Persönlichkeit zu Stagnation.
Schönheit zu einem Nichts. Die Augen sind erschreckend leer, aber es ist die Haut, die die Wahrheit verrät. Das Fleisch wird schlaff. Der Körper widersteht der Schwerkraft nicht mehr. Die Haut sackt von Knochen und Muskeln herunter. Die Auswirkung ist subtil, kaum wahrnehmbar, aber doch unverkennbar.
    Ich hatte nie Angst zu sterben, aber ich hatte einen Scheißbammel davor, zur Leiche zu werden.
    Ich saß im Gras, rauchte eine Zigarette und starrte den unauffälligen Betontank an. Ich bemerkte, wie ich mit meinem Blick langsam das Netz der Risse auf der Oberfläche entlangstreifte. Oben war eine weite, ausgeprägte Spalte, die sich wie ein Fluss über das verwitterte Äußere verbreitete und dabei in immer dünner werdende Arme verzweigte.
    »Ich habe das Sheriff’s Department angerufen«, sagte Bobby.
    Als ich mich zu ihm umdrehte, sah ich Bobby mit einem Krug voll schäumender, roter Flüssigkeit und zwei leeren Gläsern zurückkommen.
    Er sagte: »Wo die Taubenjagd heute beginnt, kann es sein, dass die länger brauchen, bis sie hier sind.«
    »Hast du Bloody Marys gemacht? Findest du, jetzt ist der geeignete Zeitpunkt für Cocktails?«
    »Nein, ich habe Barrio Marys gemacht, Clamato und Bier. Ich habe außerdem ein paar Aspirin in jedes Glas geworfen. Das beste Katermittel der Welt.«
    Bobby gab mir eins der Gläser. Ich kippte mir die drei Aspirin in den Mund und schluckte sie trocken hinunter.
    »Ich glaube es einfach nicht, dass du Drinks gemacht hast«, sagte ich, als ich mein Glas hochhielt und Bobby es füllte.
    »Nicht zum Feiern. Das ist Medizin. Der Kater wird nur schlimmer, wenn man nichts dagegen tut. Trink aus.«
    »Hast du sie gesehen?« Ich sah wieder zum abgesplitterten Betonrand des Tanks.
    »So was von abgefuckt«, sagte Bobby.
    Ich nahm einen Schluck von meinem Getränk. »Das ist widerlich«, sagte ich und nahm noch einen Schluck.
    »Sonst wirkt es nicht.«
    Eine Stunde später saßen wir immer noch im Gras und warteten darauf, dass sich jemand vom Sheriff’s Department blicken ließ. Die trockene Augusthitze war einer klebrigen Septemberschwüle gewichen. In der feuchten Luft fühlte ich mich wie mit heißem Schmieröl eingefettet. Eine Armee von Wüstenzikaden zirpte in einem nahen Baum, immer wieder unterbrochen von Flintensalven.
    Beide starrten wir schweigend die Wasserpumpe an. Wir tranken und starrten und wechselten eine Stunde lang kein einziges Wort. Ich weiß nicht, was Bobby durch den Kopf ging, aber in meinem spukte das Bild von Yolandas totem Gesicht herum. Ich konnte meine Augen nicht schließen, ohne sie vor mir zu sehen. Ich wusste, wenn ich wieder einen Blick auf sie werfen würde, wäre ihr Gesichtsausdruck noch immer unverändert. Nur fünf Meter von mir entfernt steckte Yolanda in der Tiefe des Tanks, ihr Körper verloren in Wasser und Dunkelheit.
    Ich hielt es einfach nicht mehr aus.
    Vorsichtig ließ ich die Leiter hinunter in den Tank. Das hölzerne Ende durchbrach die Wasseroberfläche und schob sich an Yolanda vorbei in die trübschwarze Tiefe. Die Morgensonne schimmerte auf dem nassen, seidigen Stoff ihres schwarzen Kleides, was es schwierig machte, zwischen Kleid und Wasser zu unterscheiden. Ein Holzsplitter der Leiter verfing sich in ihrem Kleid, wodurch es sich fester um ihren Körper zog, der sich auf die Seite drehte. Ich schüttelte die Leiter, um den Stoff zu befreien. Langsam sank die Leiter tiefer. Als ich sie schon wieder rausziehen wollte, um eine längere zu suchen, stieß ich auf eine unsichtbare, halbfeste Masse am Grund.
    »Ich sage es zum letzten Mal: Wir sollten wirklich auf die Cops warten«, sagte Bobby.
    Bobby hatte die letzte Viertelstunde versucht, es mir auszureden. Er

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