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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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auszubrechen. Ich stieß mich wieder vom Grund ab und versuchte, mich aus dem wadentiefen Schlamm zu befreien. Dunkelheit und Stille waren überwältigend. Das einzige Geräusch war das Pochen meines Herzens in meinem Kopf. Meine Hand tastete sich zur Betonwand des Tanks vor. Ich wusste, wo oben war. Mithilfe meiner Fingernägel zog ich mich an die Wasseroberfläche, wobei ich Yolandas Leiche energisch zur Seite schubste. Mein Arm verfing sich in ihrem Kleid, das mein Gesicht bedeckte. Ich schüttelte mich kräftig, um mich zu befreien. Ich hatte keine Luft mehr in den Lungen, als ich endlich an die Wasseroberfläche kam.
    Bobby packte mein Hemd an der Schulter und zog mich zur Leiter. Ich bekam einen Fuß auf eine Sprosse, rang nach Luft und klammerte mich an die Leiter.
    Bobby hatte mich fest im Griff. » Alles in Ordnung?«
    Ich nickte, da ich noch nicht wieder sprechen konnte. Ich versuchte, ruhiger zu atmen. Ich sah zu Yolanda hinunter. Sie trieb mit dem Gesicht nach unten. Ihr Kleid war verrutscht und entblößte zu viel von ihrem fahlen Bein.
    »Das war voll daneben«, sagte Bobby leicht herablassend.
    Ich sah ihn nur an.
    Bobby sagte: »Lassen wir sie einfach drin. Wir ziehen die Leiter raus und warten auf die Cops.«
    »Nein«, sagte ich laut mit widerhallender Stimme. »Wir lassen sie nicht hier unten.«
    »Sie ist tot, Alter«, sagte Bobby. »Zwar eine Scheißsituation, aber was macht es schon aus? Es ist doch respektvoller, das jemandem zu überlassen, der Ahnung hat.«
    »Aber ich kannte sie! Vielleicht lässt man ja einen Fremden im Wasser mit dem Dreck und dem Ungeziefer und der ganzen Scheiße, aber nicht jemanden, den man kennt!«, schrie ich ihn an. Ich war noch immer verwirrt von meinem Unterwasserabenteuer.
    Bobby starrte mich ein paar Sekunden an, nickte dann kurz und gab mir einen Schlag auf den Rücken. »Zweite Runde.«
     
    Unser zweiter Versuch war kein so totaler Fehlschlag. Nach zehn Minuten hatte ich mich wieder gefasst und kletterte noch mal runter, um plangemäß Yolandas Leiche so hoch zu heben, dass Bobby sie packen konnte. Wir gingen dabei nicht sonderlich behutsam vor. Ihr Kopf schwenkte von einer Seite auf die andere und ihre Arme hingen schlaff herab. Zweimal schrammte ihr Körper an der schleimigen Betonwand entlang, die schwarzgrüne Spuren auf ihrer Haut hinterließ. Sprosse für Sprosse trugen wir sie die Leiter hoch, legten sie über den Rand des Tanks und kletterten dann hinaus.
    Wir legten sie in das hohe Gras an der Wasserpumpe. Ihr schwarzes Kleid war verrutscht und ihre Brüste waren entblößt. Ihre Haut war weiß. Nicht weiß wie bei weißen Menschen, sondern weiß wie eine Lilie. Ich rückte ihr Kleid zurecht. Tote kennen vielleicht keine Scham, aber sie verdienen Respekt. Bobby holte eine Decke aus seinem Ranchero und deckte sie damit zu.
    Bobby füllte unsere Gläser mit dem Rest der Barrio Mary auf. Er saß auf dem Boden und prostete der Leiche unter der Decke zu. Ich zündete mir eine Zigarette an, und wir saßen schweigend da, während ich rauchte und dann noch eine zweite genehmigte. Die Zikaden und Schrotflinten ließen weiter ihre kakofonische Begleitmusik erklingen. Als ich mir die dritte Zigarette direkt mit der zweiten anzündete, fing Bobby an zu reden.
    »Wir haben’s geschafft, verdammte Scheiße«, sagte er. »Geht’s dir jetzt besser?«
    »Nein, aber ich bin froh, dass wir’s getan haben. Müssen wir noch irgendwas tun?«
    »Wir müssen gar nichts tun. Und was wir bis jetzt getan haben, hätten wir eigentlich auch lassen sollen. Wir haben viel mehr getan als nötig.«
    Ich sah ihn an. »Hättest du sie im Wasser gelassen? Wenn du allein gewesen wärst, hättest du sie da unten gelassen?«
    »Ich kannte sie doch gar nicht.« Dann dachte Bobby einen Moment darüber nach und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich meine nur, die werden sagen, wir hätten es lassen sollen. Das ist alles. Ich versuche in letzter Zeit, mich mehr wie ein Erwachsener zu benehmen.«
    »Jetzt ist es nicht mehr zu ändern.«
    Bobby nickte, während sein Blick immer noch an Yolandas zugedeckter Leiche klebte. Sein Handy piepte. Er nahm es aus der Hosentasche, sah aufs Display und steckte es wieder ein. »Griselda kommt in einer Viertelstunde.«
    »Ist das nicht deine Freundin? Du hast deine Freundin angerufen?«
    »Ja.«
    »Manchmal weiß ich einfach nicht, was in deiner Birne vorgeht«, sagte ich. »Eine Frau ist ums Leben gekommen. Jemand, den ich kannte. Jemand, der

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