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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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hörte ein paar Autos die Bundesstraße entlangrollen, ansonsten hätte man glauben können, hier sei die Erde weitestgehend unberührt.
    Es war nicht anzunehmen, dass eventuelle Beobachter sich an ihre Fersen heften würden. Zu unwegsam und zu auffällig. |135| Das war gut, so könnte sie sich heimlich zum Meeting ins Hotel schleichen und ein kurzes, unbemerktes Selbstgespräch führen.
    »Und? Was hältst du als Nichtkriminalistin von der ganzen Geschichte hier?«, fragte Wencke, und es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, dass die mallorquinische Strandbarbesitzerin Christine gerade neben ihr lief, ihren Gedanken nachhing und einen Kieselstein ins Wasser kickte.
    Wahrscheinlich müsste Christine gar nicht lang überlegen: »Ich habe mir die Rocker schlimmer vorgestellt. Eigentlich fand ich den Abend gestern sehr lustig. Außerdem haben die Jungs mir finanziell aus der Patsche geholfen und mich sogar hier wohnen lassen.«
    »Gestern wurde einer von ihnen grundlos zusammengeschlagen, das ist nicht lustig«, erinnerte Wencke. »Und ein weiterer ist vor ein paar Tagen ermordet worden, deswegen bin ich überhaupt hier.«
    »Davon habe ich nichts mitbekommen. Erzähl doch mal davon.«
    Wencke kam der Aufforderung nach. Es war ohnehin gut, wenn sie sich ein paar Tatsachen in Erinnerung rief. »Vor vier Tagen, in der Nacht von Sonntag auf Montag, wurde auf dem Gelände der
Devil Doves
am Ufer des Pinnower Sees der Anwalt Leo Kellerbach ermordet. Es war eine geplante Tat.«
    »Wie kommst du darauf?«, unterbrach Christine.
    »Das Grundstück ist normalerweise streng überwacht. Durch einen fingierten Anruf bei der Polizei wurde ein kleiner Rocker-Aufstand am Eingangstor provoziert, deshalb waren die Wächter abgelenkt und der See zu der Zeit unbemerkt passierbar.«
    »Was war denn geplant: der Mord oder nur das Treffen?«
    Christine stellte genau die richtigen Fragen. »Wahrscheinlich war das Treffen arrangiert, der Mord kann auch im Affekt geschehen sein.«
    |136| »Und warum kamen der oder die Mörder von dieser Seite?«
    Bei einem Fall, in dem die Leiche fehlte, war man darauf angewiesen, auf ebensolche einfachen Problemstellungen die logische Erklärung zu finden. Weshalb hat der Täter sich so entschieden und nicht anders? Was hat er unterlassen? Und worauf besonderen Wert gelegt? So näherte man sich Schritt für Schritt der Wahrheit.
    Warum also kamen der oder die Mörder von der Seeseite?
    »Es war eine beiderseitige Verabredung. Leo Kellerbach wusste genau, wie man am ehesten unerkannt zum Bootsschuppen kommt.«
    »Warum haben Opfer und Täter sich nicht woanders getroffen?«
    Da hatte Christine recht, über diesen Punkt hatte Wencke noch nicht ausgiebig nachgedacht. Es gab tausend Möglichkeiten, sich in und um Schwerin zu einem Gespräch zu verabreden und unerkannt zu bleiben. Im Grunde genommen war das Clubgelände der denkbar ungünstigste Ort. Schwierig zu erreichen, bestens bewacht und zudem noch denkbar ungemütlich.
    Der Uferpfad wurde unwegsamer, Wencke musste immer wieder Zweige zur Seite halten, damit Christine und sie vorwärtskamen. Von Weitem konnte sie das Hotel erkennen, in dem sie sich gleich mit Boris treffen würde. Bis dahin wollte sie Antworten, Antworten, Antworten.
    »Also, sie haben den Treffpunkt auf dem Rockerclub-Gelände gewählt, weil   …« Ja, weil sie wollten, dass es nach einem Rockerkrieg aussah. Doch dann hätte Leo Kellerbach ahnen müssen, dass das Ganze einen gewalttätigen, sogar tödlichen Ausgang nehmen würde. Vielleicht war er aber auch getäuscht worden, hatte etwas anderes erwartet und sich einfach unvorsichtig verhalten.
    |137| Andererseits war Kellerbach ein erfolgreicher Anwalt, Leute wie er ließen sich nicht so einfach in einen Hinterhalt locken. Es sei denn, er hatte sich sicher gefühlt, beschützt durch seine Brüder. Und dann waren diese durch den Polizeieinsatz nicht mehr auf dem Posten gewesen. Bloß hatte nach bisherigen Erkenntnissen keiner gewusst, dass Kellerbach im Schuppen gewesen war. Es war sogar unbemerkt geblieben, dass er das Grundstück an diesem Abend überhaupt betreten hatte. Laut Vernehmungsakten hatte nicht ein Mitglied oder Hangaround den Anwalt kommen sehen. Eventuell war er also selbst mit dem Boot hinübergerudert. Nein, das war Quatsch, absoluter Nonsens!
    Irgendwann blieb Wencke stehen, zwischen Unkraut und Schilf, wo der Weg ohnehin nur noch die dürftige Breite eines Schwebebalkens hatte, und musste zugeben: »Ich habe keine

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