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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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Beamten noch grauer als das Gebäude, in dem es untergebracht war. Da waren die meisten den geraden Weg gegangen, hatten studiert und hospitiert und ein bisschen Erfahrung gesammelt. Nun machten sie ihren Job tapfer bis zur Pensionierung und gingen denselben Hobbys nach wie ihre Kollegen: Fußball, Joggen, die Exoten machten vielleicht Musik im Keller oder Canyoning im Harz.
    Die
Devil Doves
, das musste Wencke ihnen zugestehen, waren da eine weitaus interessantere Mischung. Ihr Vorurteil, hier einem versoffenen Machohaufen zu begegnen, war prompt widerlegt worden. Selten hatte sie sich mit einem so offenen und informierten Mann unterhalten wie mit diesem
Patch
, zumindest am Abend, nachdem der formelle Teil samt Vertragsunterzeichnung hinter ihnen lag und die steife Nikola Kellerbach verschwunden war. Der Papagei – in Wahrheit hieß Wenckes Verfolger vom Vortag Gustav – war bei dem Überfall glücklicherweise nur leicht verletzt worden. Einige seiner Brüder hatten am Nebentisch über Racheplänen gebrütet, aber |133| natürlich war darauf geachtet worden, dass Christine Frey von diesen Dingen nichts mitbekam. Darum hatte sich eben
Patch
gekümmert. Er hatte ihr von langen Biketouren rund um den Globus erzählt, vom Zusammenhalt der
Devil Doves,
auf der ganzen Welt hätte man ihn schon willkommen geheißen und ihm ein Bett zur Verfügung gestellt, weil er das Abzeichen trug. Ein bisschen konnte Wencke ahnen, was den Reiz am Rockerleben ausmachte, sah man mal von den vielen unschönen Nebengeschichten ab. Wenn die Jungs von ihren Motorrädern sprachen und von dem Glück, auf einer
Harley
meilenweit über die endlosen Straßen aller Länder zu fahren, hörte sich das durchaus romantisch an.
Patch
hatte ihr zu später Stunde noch versprochen, sie einmal mitzunehmen. Irgendwann, wenn mal Zeit war.
    »Morgen«, grüßte Wencke die etwas verkatert aussehenden Wachposten, die am Zaun herumlungerten. Als sie vor der Hufeisenwand stand, die von den Teufelstauben wie eine Reminiszenz an den Freyschen Pferdehof in ihrer ursprünglichen »Schönheit« belassen worden war, drückte sie die Türklinke – abgeschlossen. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass in dem rostigen Beschlag ein glänzend neues Sicherheitsschloss seinen Platz gefunden hatte. So einfach ließen sich die
Devil Doves
natürlich nicht ausspionieren, wäre ja auch noch schöner gewesen. »Da hast du nichts zu suchen«, nuschelte einer der jungen Kerle, der sich breitbeinig hinter sie gestellt hatte. »Nur das Gartenhäuschen, der Rest geht dich ’nen Scheißdreck an.«
    »Ist ja schon gut. Ich wollte mir nur ein bisschen Leitungswasser holen…«
    »Abmarsch!«
    Wencke duckte sich unwillkürlich, als sie sich an dem Kerl vorbeischob, um das Haus zu umrunden. Es war gut möglich, dass man sie in so ziemlich jedem Winkel beobachtete, mit |134| einer Webcam oder einem weiteren Bruder auf verstecktem Posten, also durfte sie hier nicht wie eine ehemalige Kripofrau agieren und später irgendwo hinter dem Haus ein Schloss fachgerecht knacken, sondern musste sich wie eine ganz normale, harmlose, aber neugierige Verpächterin verhalten. Auf der Rückseite waren die Malerarbeiten noch nicht vollendet, und die
DDs
anscheinend dabei, irgendetwas Technisches aufs Dach zu bauen, vielleicht eine Satellitenschüssel. Der heruntergetretene Zaun in der Nähe des Ufers war bereits repariert, dafür hatten sie den kleinen Bootssteg gänzlich abgerissen. Von Besuchen, die über den See kamen, hatten die Teufelstauben augenscheinlich genug. Die morschen Bretter lagen sauber gestapelt neben einer alten Viehtränke.
    Die Inspektion musste reichen. Ohnehin gab es hier wahrscheinlich nicht mehr viel zu sehen. Und wenn sie noch duschen wollte, war es jetzt Zeit, zum Hotel zu gehen, den kleinen Spaziergang dorthin könnte sie nutzen und den Fall betrachten, ihn auseinandersortieren und unterschiedlich beleuchten, aus dem Blickwinkel der Wencke Tydmers und aus Christine Freys Perspektive.
    Vielleicht sollten sich die beiden Frauen einfach mal näher kennenlernen? Auf der Grundstücksskizze war ersichtlich, dass es einen Uferweg gab, der hier in der Nähe begann, und tatsächlich befand sich ein vergessener Pfad zwischen hochgewachsenen Brennnesseln und tiefhängenden Birkenzweigen. Dass dieser mitteleuropäische Dschungel nur wenige Kilometer vom Stadtkern der Landeshauptstadt entfernt war, mochte man kaum glauben. Auf dem Ziegelsee fuhren nur drei kleine Segelboote, und man

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