Tauchstation
Beobachtungsfenster werfen.« Er zeigte auf ein neben dem High-Tech-Förderband bereitstehendes Mikroskop mit Doppelokular.
Suzanne war die Einzige, die das Angebot annahm. Sie beugte sich über die Linse und lugte hinein. In einer winzigen Kammer unter dem Objektivglas sah sie eine Eizelle, deren Membran gerade von einer Spermie durchdrungen wurde. Es geschah blitzschnell. In der nächsten Sekunde war die soeben entstandene Zygote verschwunden, und zwei neue Gameten wurden in die Kammer eingespritzt.
»Möchte noch jemand einen Blick werfen?«, fragte Arak, als Suzanne sich aufrichtete.
Niemand meldete sich.
»Okay«, fuhr Arak fort. »Dann gehen wir weiter in den Gestationsraum. Dort können Sie eine interessantere Phase beobachten.« Sie durchquerten den langen Gametenraum und betraten einen anderen Raum von der Größe mehrerer der Länge nach aneinander gereihter Fußballplätze. In die sem Raum befanden sich unzählige Regalreihen, in denen Tausende nebeneinander stehende durchsichtige Kugeln la gerten. Zwischen den Reihen huschten Hunderte Arbeiter klone umher und checkten eine Kugel nach der anderen.
»Das gibt’s doch gar nicht!«, staunte Suzanne, der all mählich dämmerte, was hier geschah.
»Die aus der Befruchtung hervorgegangenen Zygoten werden erneut auf chromosomale und molekulare Anoma lien untersucht«, erklärte Arak. »Sobald feststeht, dass sie keinerlei Unvollkommenheiten aufweisen und die Zellen sich so oft wie nötig geteilt haben, werden sie in diese Kugeln implantiert, wo man sie wachsen lässt.«
»Dürfen wir uns die Kugeln aus der Nähe ansehen?«, bat Suzanne.
»Selbstverständlich«, erwiderte Arak. »Deshalb sind wir ja hier. Sie sollen alles mit eigenen Augen betrachten können.«
Sie gingen gemächlichen Schrittes einen mehrere Hun dert Meter langen Gang entlang, der auf beiden Seiten von Regalen mit den seltsamen Kugeln gesäumt wurde. Su zanne war fasziniert und entsetzt zugleich. Die Kugeln enthielten unterschiedlich weit entwickelte Embryonen in un terschiedlichen Größen. Am Boden einer jeden Kugel klebte eine formlose dunkelviolette Plazenta.
»Das ist alles so künstlich«, brachte sie schließlich hervor.
»Da haben Sie Recht«, stimmte Arak ihr zu.
»Findet die gesamte Reproduktion in Interterra durch Ektogenese statt?«, fragte Suzanne.
»Ohne jede Einschränkung«, nickte Arak. »Etwas so Wichtiges wie die Fortpflanzung überlassen wir selbstver ständlich nicht dem Zufall.«
Suzanne blieb stehen und musterte kopfschüttelnd einen fünfzehn Zentimeter großen Embryo. Er bewegte seine winzigen Ärmchen und Beinchen, als ob er schwimmen wollte.
»Haben Sie Probleme mit unserem Reproduktions verfahren?«, erkundigte sich Arak.
Suzanne nickte. »Ich finde, es mechanisiert einen Prozess, den man lieber der Natur überlassen sollte.«
»Die Natur kann brutal sein«, wandte Arak ein. »Wir übertreffen sie um Längen, und wir kümmern uns intensiv um unseren Nachwuchs.«
Suzanne zuckte ratlos mit den Achseln. Sie wollte nicht darüber diskutieren und schlenderte langsam weiter.
»Diese Kugeln sehen genauso aus wie die, aus denen Sie geschlüpft sind«, wandte sich Perry an Richard und Mi chael.
»Erzählen Sie doch nicht so eine Scheiße!«, brauste Richard auf.
»Jetzt reicht es allmählich, Richard!«, zischte Suzanne ihn wütend an. »Ich habe es satt, mir ständig Ihre Fäkalsprache anhören zu müssen.«
»Entschuldigen Sie, dass ich Ihre Majestät beleidigt ha be«, konterte Richard.
»Diese Behältnisse sind ähnlich, aber es sind nicht die gleichen«, lenkte Arak schnell ab. Eine wie auch immer ge artete Auseinandersetzung im Zeugungscenter war das Letzte, was er gebrauchen konnte.
Plötzlich blieb Suzanne abrupt stehen und starrte ent setzt eine der Kugeln an. In ihrem Innern befand sich ein Kind, das mindestens zwei Jahre alt sein musste. »Warum ist das Kind noch immer in der Kugel?«
»Keine Sorge«, versuchte Arak sie zu beruhigen. »Das ist vollkommen normal.«
»Normal?«, hakte Suzanne ungläubig nach. »In welchem Alter werden die Kinder denn. ..« – sie suchte nach dem passenden Wort – »... aus den Gefäßen geholt?«
»Wir sagen immer noch ›geboren‹«, klärte Arak sie auf. »In der Fachsprache sprechen wir auch vom Ausschlüpfen.«
»Ist auch egal, wie Sie es nennen«, entgegnete Suzanne. Der Anblick des Kindes, das in der mit Flüssigkeit gefüllten Kugel eingesperrt war, bereitete ihr ein flaues Gefühl im Magen. Sie
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