Tauchstation
Einerseits wollte sie, dass er sie in Ruhe ließ, andererseits wollte sie ihn im Ungewissen lassen. Schließlich war sie in Interterra und nicht in Los Angeles. »Ich stamme aus einer völlig anderen Welt...«
»Ich weiß«, fiel Garona ihr ins Wort. »Aber ich bitte dich, nicht nach den Maßstäben der Erdoberfläche zu urteilen. Du musst versuchen, gänzlich uneigennützig zu denken und zu handeln. Du musst dich von dem Gefühl lösen, et was ganz allein besitzen zu müssen, um es genießen zu kön nen. Wir Interterraner kennen keine Eifersucht und lassen unseren Partner an unseren Liebesaffären teilhaben. Liebe ist für uns wie ein Jungbrunnen.«
»Schön für dich«, schnappte Suzanne. »Wie herrlich für euch, dass ihr euch so freigebig der Liebe hingeben könnt. Ich hingegen bin es leider gewohnt, nur einen Menschen zu lieben.«
»Kannst du denn nicht versuchen, es aus der Perspektive der Interterraner zu sehen?«
»Ich fürchte nein. Momentan jedenfalls nicht.«
»Vergiss nicht, dass die Moralvorstellungen der Erdober flächenbewohner vor allem durch Maßlosigkeit und Egois mus geprägt sind und dadurch letztendlich sogar destruktiv wirken.«
»Das siehst du vielleicht so«, widersprach Suzanne. »Aus unserer Perspektive sind sie sinnvoll und gut. Schließlich müssen wir darauf achten, dass unsere Kinder in geordneten Verhältnissen aufwachsen.«
»Mag sein«, überlegte Garona. »Aber das spielt hier kei ne Rolle.«
»Ich will nicht mit dir streiten, Garona«, gab Suzanne sich schließlich geschlagen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Du bist wahrscheinlich ein toller Mann, aber eben ein Interterraner. Und da wir in Interterra sind, bin ich wohl diejenige, die mit diesem Kulturkonflikt klarkom men muss – und nicht du. Ich werde mein Bestes ver suchen.«
Plötzlich tauchte aus dem Nichts das Lufttaxi auf, und die Einstiegsluke glitt auf.
»Soll ich dir helfen, den Stimmbefehl zu erteilen?«, frag te Garona.
»Nein danke«, erwiderte Suzanne. »Das schaffe ich schon alleine.«
»Dann bis heute Abend«, sagte Garona. »Das ist doch in Ordnung, oder?«
»Ich glaube, ich brauche ein bisschen Zeit, um über alles nachzudenken«, entgegnete Suzanne. »So sind wir Men schen der zweiten Generation. Vielleicht sollten wir uns ein oder zwei Tage Auszeit zugestehen.« Sie stieg ein und setz te sich.
»Ich komme auf jeden Fall vorbei«, beharrte Garona.
»Wie du willst«, entgegnete Suzanne. Für eine weitere Auseinandersetzung war sie einfach zu weinerlich und senti mental. Sie legte ihre Handfläche auf den Tisch in der Mit te des Lufttaxis und sagte mit fester Stimme: »Besucherpalast.« Dann winkte sie Garona zum Abschied zu, und die Einstiegsluke verschloss sich.
K APITEL 17
» Sie scheinen ziemlich überwältigt zu sein«, stellte Arak fest. »Das sehe ich an Ihren Gesichtern.«
Arak und Sufa hatten ihre Schützlinge am späten Nach mittag noch einmal zu einer kurzen Lagebesprechung in den runden Konferenzraum zusammengerufen. Die Interterraner standen in der Mitte des Raums und musterten ih re fünf Gäste, deren Launen sich himmelweit voneinander unterschieden, allerdings nicht aus den Gründen, die Arak vermutete.
Perry war sauer auf Richard. Als er gerade mit Luna intim werden wollte, waren plötzlich Meeta und ihre Freunde aufgetaucht und hatten panisch berichtet, dass Richard Amok laufe. Aus Angst, dass er ihnen allen durch sein ge walttätiges Verhalten das Leben schwer zu machen drohte, war Perry sofort zu Richards Bungalow geeilt und hatte ei ne Stunde lang beschwichtigend auf den durchgedrehten Taucher eingeredet, leider mit wenig Erfolg.
Richard saß mürrisch und schweigend am äußeren Rand der Sitzreihe und stierte Arak und Sufa finster an, als seien sie persönlich für seine Probleme verantwortlich.
Suzanne saß neben Perry und grübelte über ihr seelisches Leid nach. Außerdem fühlte sie sich allein für die missliche Lage verantwortlich, in der sie alle steckten. Nach ihrer Rückkehr hatte sie den anderen sofort berichtet, dass sie nur ihretwegen entführt worden waren, und hatte sich bei ihnen entschuldigt, doch obwohl ihr alle versichert hatten, sie nicht für ihr Schicksal verantwortlich zu machen, fühlte sie sich nach wie vor schlecht.
Nur Donald und Michael schienen kein Trübsal zu bla sen, was Arak darauf zurückführte, dass ihr Besuch der zen tralen Informationsstelle offenbar ein großer Erfolg gewe sen war. Er nahm Augenkontakt zu Donald auf und
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