Tauchstation
denn, man hat uns während des Schlafs unbe merkt woanders hingebracht.«
Perry lief erneut ein kalter Schauer über den Rücken. Ihm wurde schlagartig bewusst, dass alles, was sie bisher er lebt hatten, nur das Vorspiel zu dem gewesen war, was jetzt auf sie zukam. Leider hatte er keinen blassen Schimmer, wo rauf er sich einstellen musste.
In der Hoffnung, irgendeine Aussicht zu erhaschen, steuerte Richard die Tür an. Da er in dem grellen, sich auf den glatten weißen Wänden spiegelnden Licht nichts erken nen konnte, schirmte er seine Augen mit den Händen ab.
»Sehen Sie etwas?«, fragte Suzanne.
»Nicht viel«, erwiderte Richard. »Der Gang wird am En de breiter, und ganz hinten sehe ich eine Wand. Sieht so aus, als ob sie sich unter freiem Himmel befände. Also, worauf warten wir noch?«
»Eine Sekunde«, stoppte Suzanne die Aktion und sah Donald an. »Was meinen Sie? Sollen wir gehen? Wie es aus sieht, werden wir von unseren Gastgebern erwartet.«
»Ich denke, wir sollten gehen«, schlug Donald vor. »Aber als Gruppe. Wenn möglich, sollten wir immer dicht beieinander bleiben. Vielleicht sollten wir auch einen von uns auswählen, der für uns spricht, wenn wir auf die Leute stoßen, die uns gefangen genommen haben.«
»In Ordnung«, entgegnete Suzanne. »Ich stimme für Perry.«
»Für mich?«, fragte Perry entgeistert und räusperte sich. »Wieso sollte ich für uns sprechen? Donald ist unser Kapi tän.«
»Stimmt«, nickte Suzanne. »Aber Sie sind der Präsident von Benthic Marine. Wer auch immer uns hier gefangen hält, weiß vielleicht Ihre Autorität zu würdigen, erst recht, wenn es um die Bohrungen gehen sollte.«
»Glauben Sie, unsere Gefangenschaft hat etwas mit den Bohrungen an dem Unterwasserberg zu tun?«
»Ich halte es jedenfalls nicht für ausgeschlossen«, gab Suzanne zu.
»Trotzdem«, sträubte Perry sich weiter, »im Gegensatz zu mir war Donald beim Militär. Was ist, wenn wir tatsäch lich auf einem Stützpunkt der Russen gelandet sind?«
»Ich glaube, das können wir mit Sicherheit ausschließen«, wehrte Suzanne ab.
»Völlig ausgeschlossen ist es nicht«, widersprach Donald. »Aber ich glaube auch, dass Perry eine gute Wahl ist. Wenn er für uns spricht, kann ich mich darauf konzentrieren, die Situation einzuschätzen. Das ist vor allem dann wichtig, wenn man uns feindlich gesonnen ist.«
»Richard und Michael«, wandte sich Suzanne an die bei den. »Was meinen Sie? Wer soll unser Sprecher sein?«
»Ich bin auch für den Präsidenten«, verkündete Michael.
Richard nickte nur. Er wollte endlich los.
»Damit ist unsere Wahl einstimmig erfolgt«, stellte Su zanne fest und bedeutete Perry vorauszugehen.
»Also gut«, gab Perry sich geschlagen und gab sich ent schlossener, als er in Wahrheit empfand. Er knotete sich das goldene Band um die Taille, warf sich in die Brust und mar schierte den Gang entlang. Richard musterte ihn gering schätzig und reihte sich als Zweiter ein. Die anderen folgten im Gänsemarsch.
Am Ende des Flurs wurde Perry langsamer. Er war sich jetzt fast sicher, dass es sich bei dem hereinströmenden Licht tatsächlich um Sonnenlicht handelte. Er konnte be reits die wärmenden Strahlen spüren. Wie es aussah, gingen sie auf eine abgetrennte, etwa sechs Quadratmeter große, unter freiem Himmel liegende Fläche zu.
Nach weiteren zwei Metern blieb Perry abrupt stehen. Richard lief in ihn hinein.
»Was ist los?«, fragte Suzanne und drängte sich an Ri chard vorbei.
Perry antwortete nicht; er wusste selbst nicht genau, warum er stehen geblieben war. Er beugte sich ein wenig vor und nahm die sich am Ende der offenen Fläche erhebende Mauer ins Visier. Von seinem Standpunkt aus konnte er nicht erkennen, wie hoch sie war, weshalb er sich einen wei teren Schritt vorwagte und erneut hinaufblickte. Jetzt konnte er das obere Ende erkennen. Die Mauer war etwa fünf Meter hoch, und auf dem oberen Absatz sah er deut lich Füße, Knöchel, nackte Waden und die Säume von Gewändern, die genauso aussahen wie ihre eigenen.
Er richtete sich wieder auf und drehte sich zu den ande ren um. »Auf der Mauer stehen Menschen«, flüsterte er. »Sie sind so angezogen wie wir.«
»Wirklich?«, hauchte Suzanne und beugte sich nun ihrer seits vor, um sich selbst ein Bild zu machen, doch sie stand zu weit hinten.
»Ich bin nicht ganz sicher«, fuhr Perry fort, »aber ich glaube, sie haben die gleichen dünnen Satingewänder an wie wir.« Das überraschte ihn, denn eigentlich
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