Taumel der Gefuehle - Roman
scheint eine äußerst ungewöhnliche Persönlichkeit zu sein.«
»Soviel ich weiß, waren sie zusammen in Hambrick Hall.«
Nachdenklich trank Louise einen letzten Schluck ihres Tees, bevor sie die Tasse auf das Silbertablett neben sich stellte. »Schulfreunde.«
»Lord Northam sagte, er träfe Mr Marchman hier aus geschäftlichen Gründen.«
»Geschäfte? Gewiss nicht!« Die Baronin konnte das Entsetzen in ihrer Stimme nicht verbergen. »Wie schrecklich! Bist du dir sicher, dass es nichts Politisches ist?«
»Ich weiß nichts mit Sicherheit. Der Earl meinte lediglich, es handele sich um Geschäfte. Ich nehme an, dass dieser Ausdruck alles bedeuten könnte. Er wird jedoch keinen Laden in deinem Salon eröffnen und Waren an deine Gäste verkaufen.«
»Du bist heute unausstehlich, doch ich vergebe dir. Ich weiß nur derart wenig über Mr Marchman, und es ist immer beunruhigend, einen Unbekannten unter seinem Dach zu wissen.«
»Soviel ich weiß, ist er bereits abgereist.«
Louise war erschüttert über diese Neuigkeit. »Aber er hat sich nicht von mir verabschiedet!« Konsterniert sog die Baronin scharf die Luft ein, ihr Busen hob und senkte sich sichtbar.
»Vielleicht hat Mr Marchman mit Seiner Lordschaft gesprochen«, mutmaßte Elizabeth. »Du hast dich sofort nach dem Picknick auf dein Zimmer zurückgezogen. Der Baron könnte ihn verabschiedet haben.«
»Ja, du hast Recht. Ich werde mit Harrison sprechen, wenn er zu Bett geht.«
Elizabeth unterdrückte ein Gähnen und wagte einen Blick auf die Uhr am Kamin. Es war kurz vor Mitternacht, und der Baron könnte sich erst in mehreren Stunden vom Kartentisch erheben. Elizabeth hoffte inständig,
Louise nicht in der Zwischenzeit unterhalten zu müssen. Sie war müde und wollte schlafen.
»Was ist mit den anderen?«, fragte Louise. Sie klimperte mit den dunklen Wimpern, während sie sich mit der Hand zufächerte und so tat, als wäre ihr plötzlich heiß. »Ich muss sagen, dass Lord Southerton ein außerordentlich attraktiver Gentleman ist.« Sie lächelte Elizabeth verschmitzt zu. »Findest du nicht auch?«
»Um mir dazu eine Meinung zu bilden, habe ich viel zu wenig Zeit mit ihm verbracht.«
»Das ist doch keine Frage der Zeit«, empörte sich Louise, »sondern des Eindrucks. Dazu muss man ihn nur ein einziges Mal ansehen.« Sie lächelte und fügte kleinlaut hinzu: »Dann warst du vielleicht mehr mit dem Earl beschäftigt, als du mir weismachen möchtest.«
»Möchtest du mich unter die Haube bringen oder hast du es selbst auf den Viscount abgesehen?«
»Elizabeth! Ich habe keines von beidem vor und bin entrüstet über deine Frage. Gegen das eine sträubst du dich mit Händen und Füßen, und wie jedermann weiß, bin ich in meinen teuren Harrison vernarrt.«
Es schoss Elizabeth durch den Kopf, Louise daran zu erinnern, dass sie nicht jedermann war. Sie schwieg, denn trotz ihrer Müdigkeit wusste sie, dass die Äußerung unnötig bissig war. »Wie sieht es mit Lord Eastlyn aus? Entspricht der Marquess nicht deiner Vorstellung eines perfekten Mannes?«
»Um Himmels willen, ja! Was sollte man an ihm auszusetzen haben?«
»Natürlich«, antwortete Elizabeth trocken. »War dir bekannt, dass sie zusammen in Hambrick waren, als du die Einladungen aussprachst?«
»Ich hatte keine Ahnung! Daher also ihre Freundschaft. Ich wusste natürlich, dass sie sich kennen, aber nichts von ihrer gemeinsamen Zeit in Hambrick. Weißt du etwas über Eastlyn und seine Verlobte?«
»Ich wusste nicht einmal, dass er verlobt ist.«
»Mir wurde berichtet, diese Verbindung sei so gut wie besiegelt.«
Was bedeutete, dass die Beziehung nur in den Köpfen der Klatschmäuler manifestiert war. »Ich frage mich, ob der Marquess davon weiß, dass er eine Verlobte hat?«
Das Anwesen der Battenburns war ein beeindruckender Steinbau, dessen Haupthalle zur Zeit von Henry VIII. erbaut worden war. Das Innere des Hauses spiegelte weniger stark die unterschiedlichen architektonischen Stile wider als das Äußere. Während Gefechtstürme und die mit Zinnen besetzte Brüstung dem Herrenhaus den Anschein einer Festung gaben, waren die Räumlichkeiten überraschend einladend und gemütlich. Das Labyrinth aus Korridoren und Treppenaufgängen hätte selbst Theseus auf der Suche nach dem Minotaurus verwirrt, die Gäste auf Battenburn waren hingegen meist entzückt von der Weitläufigkeit des Gebäudes. Mehr als einmal in der Geschichte des Hauses hatten die Soldaten des Königs vergeblich in
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