Tausche Brautschuh gegen Flossen
abhängig.
Normalerweise treffen wir uns immer donnerstags, aber da nun alle endlich
wieder da und auch verfügbar sind, pfeife ich darauf, dass erst Montag ist und habe
sie für den Abend zu mir eingeladen. Wie ein aufgeregtes Huhn hüpfe ich durch die
Wohnung, räume auf, als würde ich königlichen Besuch erwarten, und bereite ein Essen
vor. Eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit bin ich fertig und weiß nichts
mit mir anzufangen. Um mich abzulenken, logge ich mich im Chat ein und entdeckte
eine Nachricht von Christoph.
Drei Tage sind vergangen, seit seinem
verwirrenden Geständnis.
›Liebe Lena‹, lese ich nun. ›Was
ich am Freitag geschrieben habe, tut mir leid. Ich hätte es für mich behalten sollen.
Wahrscheinlich habe ich dich vor den Kopf gestoßen und du hältst mich für übergeschnappt.
Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe … einfach irgendwas. Es ist aus mir
herausgesprudelt, ohne dass ich überlegt habe. Nimm es mir nicht übel, okay?! Vergiss
es, wenn das möglich ist. Ich hoffe, ich habe dich nicht vertrieben, denn ich hatte
viel Freude an unseren Gesprächen.
Sei lieb gegrüßt!
Christoph‹
Seine Entschuldigung irritiert mich
noch mehr als das, wofür er sich entschuldigt. Sie rüttelt das unerwünschte Gefühl
wach, von dem ich geglaubt hatte, es sei eingeschlummert. Sie erinnert mich an das
Bild, das ich in der Nacht vor Lukas’ Rückkehr gemalt habe. Sie provoziert mich,
weil sie von mir verlangt, dass ich nachdenke, worüber ich nicht nachdenken möchte.
Das Klingeln bewahrt mich vor einem
tieferen Tauchgang in meine Gedanken- und Gefühlswelt. Mit einiger Erleichterung
schließe ich den Chat und flitze zur Tür.
Hannah bringt Salzbrezeln und Erdnüsse
mit, Nina zwei Flaschen Wein, Lilly eine Duftkerze. Wie ich hat Lilly für die Dauer
eines Jahres in den USA gelebt und dort eine Vorliebe für die zugegeben grandiosen
›Yankee Candles‹ entwickelt. Inzwischen hat sie sogar einen Dealer in Deutschland
aufgetrieben.
Aufgeregt und wild durcheinander
erzählen meine Freundinnen, was sie in den vergangenen Wochen durchzustehen hatten:
Das Gebrüll von Vorgesetzten, denen die Umsatzzahlen nicht gefielen. Das Gebrüll
von Patienten, die es vor Schmerzen nicht aushielten. Das Gebrüll des Passagiers
auf dem Nebensitz, als das Flugzeug in Turbulenzen geriet.
Mit Ausnahme des Gebrülls der kleinen
Italiener habe ich also eine vergleichsweise ruhige Zeit verbracht. Als ich gefragt
werde, wie meine letzten Wochen waren, erzähle ich von Lukas’ überraschender Heimkehr
und von der Langeweile, die mich davor fest im Griff hatte.
»Geh doch shoppen!«, schlägt Lilly
vor und deutet auf ihre neuen Ohrstecker. »Sind ein Urlaubsmitbringsel«, fügt sie
hinzu und ignoriert Ninas Schnauben.
Während andere
Kokosnussfiguren aus dem Urlaub mit nach Hause nehmen, kehrt Lilly mit Joop-Schmuck
heim – mit echtem natürlich. Die vergleichsweise billigen Teile von Pilgrim oder
Esprit hat ihr der Juwelier wahrscheinlich nicht einmal angeboten, denn Lilly sieht
aus wie Luxus, duftet nach Luxus und manchmal schwafelt sie so luxuriös, dass wir
anderen drei mit den Augen rollen und uns fragen, warum wir uns das antun. Bevor
wir sie vor die Tür setzen, erinnern wir uns stets daran, dass jede von uns auf
ihre Art verrückt ist. Es sind Lillys großes Herz und ihre fürsorgliche Art, die
sie einfach liebenswert machen. Der vermeintlichen Überheblichkeit, die andere ihr
manchmal ankreiden, ist sie sich selten bewusst, denn die wurde ihr praktisch in
die Wiege gelegt. Lilly ist die Blondine in unserer Runde, die Frau mit der perfekten,
immer auf Kinnlänge gestutzten Frisur und dem makellosen Teint, dem Gesicht, das
kein Make-up braucht. Als hoffnungslose Romantikerin fehlt ihr lediglich eines zum
totalen Glück: eine funktionierende Beziehung. Da es Lilly jedoch nicht leicht fällt,
Entscheidungen zu treffen – egal, ob sie zwischen Schuhen, Nachtclubs oder Männern
wählt, hat sich Mr. Perfect noch nicht gefunden. Kann sie bei den Schuhen einfach
beide Paare kaufen und einen Club um Mitternacht verlassen, um zu einem anderen
zu fahren, wird es bei den essenziellen Dingen schwierig.
»Leg dir einen
Lover zu!«, lautet Ninas Kommentar. Ein verschlagenes Blitzen liegt in ihrem bernsteinfarbenen
Blick als sie ihre dichte brünette Mähne über die Schultern zurückstreift. »Sex
ist die beste Lösung gegen Langeweile.«
Dieser Kommentar
kann nur von Nina kommen und niemand anders als
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