Tausche Brautschuh gegen Flossen
Erste, was unser Nachwuchs lernen wird, ist, sich lautlos an den Kater anzupirschen.«
Lukas stellt den geleerten Becher ab, schlingt auch den anderen Arm um mich und
legt das Kinn auf meine Schulter. »Und natürlich das Tarnen, das ist sehr wichtig.
Neben Möhrenbrei eignet sich auch Spinat hervorragend dazu.«
»Wenn das so ist, warten wir mit
dem Kinderkriegen lieber, bis du vollständig kuriert bist.«
»Papperlapapp! Fritz wird eine gute
Zeit mit mir haben …«
»Fritz also, aha!«
»Ja, aber Fritz hat es nicht eilig,
hier aufzukreuzen. Er meint, Mutter und Vater sollen erst noch mal richtig Spaß
haben und lebensgefährliche Dinge unternehmen.«
Ich drehe den Kopf zur Seite, damit
Lukas meine hochgezogene Braue sieht. »Wie was zum Beispiel? Panzerfahren?«
»Ach, da gibt’s noch mehr … Base
Jumping, Cliff Diving, Ice Climbing.« Die Muskeln seiner Arme spannen sich an, als
er mich näher zu sich zieht. »Wenn ich wieder da bin, sollten wir vielleicht für
ein paar Tage verreisen. Ich hoffe, das Wetter hält sich noch ein bisschen. Du musst
also immer gut aufessen … Voraussetzung ist ein anständig gefüllter Kühlschrank.«
Beim Gedanken an Lukas’ Abreise
am morgigen Abend wird mir sofort mulmig. Die grauen Wolken, die sich in diesem
Moment vor die Sonne schieben, und der auffrischende Wind tun das Übrige. »Ich vermisse
dich sehr, wenn du fort bist.«
»Du fehlst mir nicht weniger.«
»Aber es ist schlimmer für den,
der bleibt.« Nach einer Pause füge ich hinzu: »Seit wir uns kennen, bin das immer
ich. Ich war schon immer die Soldatenbraut, die ihren Helden in den Auslandseinsatz,
auf einen Lehrgang oder eben in ein Kriegsspiel verabschiedet hat.« Ein missmutiger
Laut erklimmt meine Kehle. »Ich sollte daran gewöhnt sein, doch in manchen Zeiten
fällt es mir einfach schwer.«
»Da kommen andere Zeiten. Nächstes
Jahr sage ich der Bundeswehr Ade, das weißt du. Dann wirst du dich wiederum daran
gewöhnen müssen, dass ich dir jeden Morgen und Abend auf der Pelle hänge.«
»Ich hätte absolut nichts dagegen,
würdest du das jetzt schon tun.«
Lukas löst sich von mir, um aufzustehen.
Er reicht mir die Hand und zieht mich zu sich hoch. Wir packen die Reste in den
Rucksack und sausen den Wolken voraus bergab zurück in die Stadt.
Ausspannen – was für andere Männer mit einem längeren Aufenthalt auf
der Couch und alten Cowboyfilmen verbunden ist, setzt Lukas schlichtweg mit Langeweile
gleich. Was andere Frauen wiederum nervös macht, genieße ich. Nach unserem Biketrip
durchstöbern wir also im Geiste unsere Standard-Kochrezepte nach einem Favoriten,
den wir schon lange nicht mehr gegessen haben, und einigen uns nach Kurzem auf mein
Spezialrezept für Chili con Carne. Zum zweiten Mal geht es also zum Supermarkt.
Wie so oft an einem Samstagnachmittag
ist Endzeitstimmung. Man kauft, was noch in den Regalen liegt, um einen Hungerstod
am Sonntag auszuschließen. Ich komme gerade rechtzeitig, um den letzten Sellerie
zu ergattern, was mir das empörte Gezeter einer weißhaarigen Dame einbringt, die
damit sicher Suppe kochen wollte. Nach und nach befördere ich auch Tomaten, gelbe
Paprika und Zwiebeln in den Einkaufskorb und eile weiter zum Fleischerstand. Ein
unangenehmes Prickeln im Nacken lässt mich einen Blick über die Schulter werfen,
woraufhin ich den bösen Blick der Weißhaarigen auffange. Sie verfolgt mich doch
nicht etwa, um mir den Sellerie aus dem Wagen zu klauen? Ich nehme das Hackfleisch
entgegen und lade auf dem Weg zur Kasse die restlichen Artikel ein. Das Prickeln
im Nacken bleibt. Als ich bezahle, rächt sich die Rentnerin, indem sie mir ihren
Einkaufswagen in die Hacken rammt. Was mich sonst erbost hätte, lässt mich heute
gerade mal müde lächeln. Denn Lukas ist bei mir.
Wieder zu Hause schnippele ich das
Gemüse, während Lukas das Hackfleisch anbrät. Aus den Boxen im Wohnzimmer schallt
Florence And The Machine in Überlautstärke. Die anderen Mieter im Haus sind übers
Wochenende verreist, was so selten vorkommt, dass es auszunutzen ist. Lukas hat
mir die Auswahl der Musik überlassen. Er ist nicht wirklich glücklich damit und
erträgt das, was er als Katzengejaule bezeichnet, auf eine Weise, die typisch für
ihn ist. Nur in Boxershorts gekleidet, steht er am Herd und schwingt den Holzlöffel.
Um mich meine Entscheidung zumindest ein wenig bedauern zu lassen, begleitet er
Florences Gesang, wobei er sich sehr bemüht, ihre hohen Töne anzuschlagen.
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