Tausche Brautschuh gegen Flossen
nun ganz glücklich mit seiner Entscheidung.
»Was ist passiert?«, hake ich weiter
nach. »Hat wieder jemand die Verhaltensregeln nicht eingehend studiert?«
Die militärischen Verhaltensregeln
beinhalten so prinzipiell absurde Vorschriften wie: ›Bei Erreichen der Baumspitze
hat der Soldat die Kletterbewegungen selbstständig einzustellen.‹ oder auch: ›Wenn
das Wasser bis zur Brust reicht, hat der Soldat selbstständig mit den Schwimmbewegungen
anzufangen.‹
»Nein, das nicht.« Lukas nimmt einen
genüsslichen Bissen vom Milka-Brötchen und blinzelt mich gegen das Sonnenlicht an.
»Am zweiten Tag wurden wir von einem Hubschrauber zu unserem Einsatzort geflogen.
Dort angelangt sprangen alle Soldaten nach Vorschrift aus dem Hubschrauber – alle
bis auf einen. Der stellte sich so ungeschickt an, dass er unstabil landete, aufgrund
des schweren Rucksacks das Gleichgewicht verlor und nach vorn überkippte.« Um seine
Worte mit Gestik zu untermalen, wie Lukas es gern tut, setzt er sich auf und fährt
amüsiert fort: »Er landete, als wolle er Purzelbäume schlagen, und der Lauf seines
Gewehrs, das er schussbereit in den Händen hielt, bohrte sich in den Erdboden. Während
alle andere bereits angriffen und feuerten, war er damit beschäftigt, sein Gewehr
zuerst aus den Boden zu ziehen und es dann zu reinigen.«
»Wie hast du reagiert?«, frage ich
und nehme mir nun ebenfalls ein Brötchen, das ich jedoch mit Käse belege. »Hast
du ihn runtergeputzt, dass er vor Schreck einen Schuss abgegeben hat?«
»Das wäre doch nicht möglich gewesen,
denn das Gewehr war ja verstopft. Ich habe mir das eine Weile angeschaut. Als ich
vor unterdrücktem Lachen beinahe geplatzt wäre, habe ihn daran erinnert, dass wir
im Gefecht sind und nicht vom Umweltamt, dass wir um unser Leben und für das Vaterland
kämpfen und keine Bodenproben entnehmen.« Mit beiden Händen strubbelt Lukas durch
seine blonden Haare, was den kleinen Konflikt unterstreicht, in den der ungeschickte
Soldat ihn gebracht hat, denn normalerweise hätte er den Witz der Situation einfach
nur ausgekostet. »Noch viel komischer war der zweite Zwischenfall am vierten Tag,
als wir mit den Panzern unterwegs waren.«
In Erwartung
der neuen Anekdote mache ich es mir gemütlich, indem ich mich gegen Lukas lehne.
Er legt einen Arm um mich und trinkt vom Sekt, bevor er fortfährt.
»Wir waren im
üblichen Hügelgelände unterwegs. Aufgrund des starken Regens am Vortag waren alle
Senken mit Wasser gefüllt, was einem Panzer natürlich nichts ausmacht. Wahrscheinlich
hatte der Fahrer sogar Spaß dabei, das Gefährt durch all das Wasser und den Schlamm
zu steuern. Gerade gab ich dem Richtschützen, der neben mir im Turm saß, einen Befehl,
da drang Stimmgewirr von unten zu uns herauf. Die sechs Soldaten im Bauch des Panzers
waren in heller Aufregung. Die Rampe hatte sich geöffnet, weil der Seilzug gerissen
war. Aufgrund der Berg- und Talfahrt und des Wassers in den Senken klappte das monströse
Ding nun auf und zu wie das Maul eines Flusspferdes. Nicht nur sahen die Soldaten
allesamt aus wie Schweine, sie gaben zudem ihr Bestes, den Unteroffizier, dessen
Platz immer an der Rampe ist, festzuhalten. Alle viere ausgestreckt klemmte er sich
fest, um nicht durch die Öffnung zu rutschen, wobei er vergebens darum bemüht war,
sein Gewehr zu retten.«
Die Szene erinnert mich an komödiantische
Militärfilme wie ›Auf Kriegsfuß mit Major Payne‹. Lukas spricht meinen Gedanken
sogar aus und seine Brust vibriert unter lautlosem Lachen, als er vorwegnimmt, dass
zum Glück niemand verletzt wurde. »Ich musste mich so zusammenreißen«, erzählt er
weiter. »Ich ließ den Panzer anhalten, alle aussteigen und knöpfte mir den Unteroffizier
vor.«
»Das hast du nicht getan!«, empöre
ich mich. »Der arme Teufel hat dem Tod ins Gesicht geschaut! Es ist doch nichts
weiter passiert.«
»Natürlich ist etwas passiert«,
widerspricht Lukas noch immer belustigt. »Der Gewehrlauf wurde in bester Uri-Geller-Manier
verbogen. So ein Ding kostet um die 2.000 Euro.«
»Und dafür hast du den Unteroffizier
verantwortlich gemacht?«
»Ich habe ihn lediglich gefragt,
wie das denn passieren konnte – das ist eine Frage, die immer gestellt werden muss
– und ihn dann dazu verdonnert, einen Bericht zu schreiben.«
Ich schüttele den Kopf. »Was für
ein bürokratischer Haufen das doch ist. Ich hoffe, du trägst keine bleibenden Schäden
davon.«
»Oh, na damit muss du aber rechnen.
Das
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