Tausche Brautschuh gegen Flossen
Freund, der ebenfalls im Jeep saß, tauchen
gehen. Dies tut sie mit einer Bestimmtheit, als sei es längst beschlossen – ohne
mich und über meinen Kopf hinweg. Punkt.
»Du kannst gern tauchen gehen. Ich
werde nicht mitkommen.«
»Warum nicht? Ich denke, du bist
ein Tauchfreak?«
»Ich habe keine Lust.«
»Wozu hast du überhaupt Lust?« Sie
knallt ihre Serviette hin und klingt erbost. »Du willst nicht tanzen gehen, du willst
nicht nach draußen. Dies nicht, das nicht. Jetzt magst du nicht einmal mehr tauchen.
Am liebsten würdest du wohl den ganzen Tag im Hotel hocken!«
»Wie heißt die Tauchschule?«, frage
ich und ringe innerlich um Fassung, damit ich sie nicht zum Teufel schicke.
»Keine Ahnung! Meine Güte, jetzt
übertreib nicht. Weißt du, wie viele Tauchschulen es hier gibt? Es wird schon nicht
seine sein. Und überhaupt …«
»Ich möchte ihm nicht begegnen.«
»Das wirst du nicht«, sagt Nina
leichthin, als ging es um den Kauf von schwarzen Socken, bei dem ein geringes Risiko
besteht, dass man ein Paar weiße erwischt. »Markus meinte, es ist eine Tauchschule,
die ein bisschen außerhalb liegt, hinter diesen Felsen am Ende des Strandes.«
Na toll! »Ich werde morgen am Pool
bleiben. Ich bin heute den ganzen Tag gefahren und brauche mal Ruhe.«
Nina schnaubt. »Du bist ein langweiliger
Angsthase.«
Mit bösen Worten auf der Zunge betrachte
ich sie und bebe vor Verärgerung. Schließlich kann ich mich nicht mehr zurückhalten
und sage es: »Und du bist eine notgeile Egoistin.«
Nina starrt mich erschrocken an.
Als ich aufstehe, will sie sich entschuldigen und mich zurückhalten, doch ich schüttele
sie ab und verlasse das Restaurant.
An der Hotelrezeption besorge ich
mir einen Mietwagen.
Ich will raus aus dieser Stadt,
einfach nur weg und allein sein!
Braune, von Dornensträuchern, Kakteen und Felsen gespickte Felder fliegen
vorbei. Ich folge den Schildern, die zum Pico del Teide weisen, und fahre auf der
sanft bergauf führenden Straße zum Herz der Insel. Unterwegs passiere ich Siedlungen,
in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.
Das Radio dudelt leise. Das Fenster
ist offen. Der warme Wind wirbelt ins Auto. Es ist bereits dunkel, und im Rückspiegel
glitzern die Lichter, die Ausgelassenheit versprechen. Bald verschwinden sie hinter
den Hügeln.
Hinter Vilaflor beginnt das Ende
der Welt – zumindest fühlt es sich so an, als ich in den riesigen Krater des Vulkans
fahre, dessen Zentrum der Pico del Teide ist, und für ein paar Sekunden halte ich
den Atem an. Die Norwegerinnen hatten recht mit ihrer Behauptung, dass man meint,
auf einem anderen Planeten zu landen. Auf einer scheinbar endlosen Geraden fahre
ich vorbei an skurrilen, in den schwarzen Himmel ragenden Gesteinen. Nach einer
letzten Kurve erreiche ich die Talstation, von wo aus die Touristen tagsüber zum
Teide gondeln.
Ich parke das Auto und steige aus.
Die Station liegt auf 2.300 Metern über dem Meeresspiegel, und die Luft ist verdammt
kühl. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen, was perfekt ist. Ich lehne
mich gegen die Motorhaube und sehe hinauf zum Vulkan, dessen Ausbrüche einst von
Christoph Kolumbus beobachtet wurden. Es ist die Rede davon, dass die Lava im Inneren
wieder etwas ausheckt. Der Name ›Teide‹ leitet sich von Echeide ab, was übersetzt
so viel bedeutet wie Hölle. Was für ein unpassender Name für solch ein grandioses
Stück Natur!
Die Ruhe an diesem Fleckchen Erde
ist nicht irdisch. Es ist kaum vorstellbar, dass hier noch vor wenigen Stunden Menschen
aus allen Ländern Europas in Schlangen für einen Platz in der Seilbahn anstanden.
Das ist kein schöner Gedanke, denn gern würde ich einmal tagsüber herkommen und
genauso allein sein.
Die Zeit tickt davon. Minuten füllen
eine Stunde auf, und ich lehne noch immer am Jeep und will nicht weg. Ich nehme
mir vor, hierher zurückzukehren, und meine Zeit bis dahin zu genießen. Zum einen
vergeht sie zu schnell und niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, was in der nächsten
Stunde geschieht. Zum anderen werde ich mir vielleicht weniger fehl am Platz vorkommen,
wenn ich abschalte und auf Urlaub umstelle. Um Christoph und eine unerwünschte Begegnung
brauche ich mir keine Gedanken zu machen. Ich weiß nun, wo seine Tauchschule ist
und in welche Gegend ich also nicht gehen sollte.
Er ist so nah und gleichzeitig so
weit weg. Ob er tatsächlich genau an diesen Platz gekommen ist? Wegen mir? Hat er
seinen schönen amerikanischen
Weitere Kostenlose Bücher