Tausche Brautschuh gegen Flossen
Oda eine Plastikflasche aus ihrem Rucksack,
in der sie einen Cuba-Libre-Mix hat. Als verantwortungsbewusster Verkehrsteilnehmer
verzichte ich, aber Nina sagt nicht nein.
Zuerst fahren
wir eine Landstraße entlang. Der Pico del Teide, Spaniens höchster Berg, liegt die
ganze Zeit vor uns. Auf seiner Spitze in fast 4.000 Metern Höhe glitzert Schnee
im Sonnenlicht, was ein unwirklich anmutendes Bild abgibt, wenn man bedenkt, dass
mich angenehme 22 Grad umgeben. Die Norwegerinnen erzählen, noch nachhaltig beeindruckt,
von ihrem Ausflug dorthin und schildern es wie die Reise auf einen anderen Planeten.
Sie sind nicht mit der Seilbahn hinaufgefahren, wie die meisten Touristen, sondern
haben den Riesen Schritt für Schritt erklommen. Mit einer Sondergenehmigung durften
sie sogar die letzten, eigentlich gesperrten Meter bis zur Spitze hinauf. Man ist
nicht auf Teneriffa gewesen, wenn man nicht auf dem Teide war, behaupten sie.
Der Anblick des Berges versetzt
mich in eine merkwürdige Stimmung. Christoph hatte mir vom Pico del Teide erzählt
und gesagt, dass er manchmal hinauffährt. Angeblich war er viel dort, um über mich
nachzudenken.
Nach einer Weile biegen die Jeeps
von der Landstraße ab und fahren auf einem Weg weiter, der über Stock und Stein
führt und uns in den Autos durchschüttelt. Der Cuba Libra zeigt insbesondere bei
den Norwegerinnen erste Wirkung. Sie werden immer lauter und lustiger, amüsieren
sich über jedes Schlagloch und beginnen norwegische Lieder zu singen, in die Nina
mit deutschen Texten einstimmt.
Wir passieren einen Hain von Pinien
und Mandelbäumen und gelangen nach Vilaflor, dem mit 1.400 Metern über dem Meeresspiegel
höchstgelegenen Ort Spaniens. Auf dem Marktplatz stellen wir die Fahrzeuge ab, um
uns die Stadt anzuschauen.
Das Zirpen von Grillen ist das einzige
Geräusch, als der letzte Motor erstirbt. Mitunter hören wir auch das Meckern von
Ziegen oder das Bimmeln von Glöckchen. Die Sonne scheint warm in enge Gassen, wo
schwarzgekleidete Frauen vor den Häusern sitzen und Handarbeiten erledigen. Ich
habe das Gefühl, um ein Jahrhundert zurückversetzt worden zu sein.
Nach dem Besuch
der Gemeindekirche haben wir eine Stunde zur freien Verfügung. Die Norwegerinnen
und die meisten anderen Frauen stürmen den Souvenirshop des Ortes. Nina gesellt
sich zu einer Gruppe Jungs, um eine Zigarette mit ihnen zu rauchen. Ich schlendere
durch einen Ateliershop, in dem Aquarelle einer ortsansässigen Malerin zum Verkauf
ausgestellt sind. Da an den Hängen rund um Vilaflor Wein angebaut wird, bietet das
Atelier neben den Bildern eine Auswahl an Rot- und Weißweinen. Ich kaufe eine Flasche
Weißwein, die ich meinen Eltern mitbringen möchte.
Nach dem Mittagessen im Restaurant
auf dem Marktplatz wird die Tour fortgesetzt. Wenige Kilometer hinter der Stadt
verlassen wir die Landstraße abermals, um die Paisaje Lunar – die sogenannte
Mondlandschaft – zu besuchen, und holpern über einen Pfad, der auf einem Parkplatz
endet. Der Rest des Weges führt durch den Wald und muss zu Fuß zurückgelegt werden.
Nina erzählt mir von Markus, einem der Jungs, mit denen sie vorhin geraucht hat.
Er ist frisch geschieden und, wie sie sich ausdrückt, total goldig. Nicht lange
danach weicht sie von meiner Seite, und ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu
wissen, wo sie ist. In der Gesellschaft der nach wie vor lustigen Norwegerinnen
fühle ich mich momentan sowie besser aufgehoben, denn Nina und ihre Kerle beginnen
mir ernsthaft auf den Wecker zu gehen. Langsam verliere ich auch den Überblick,
wer wie hieß und wann sie wen getroffen hat.
Die Paisaje Lunar ist durchzogen
von sandfarbenen Tuffsteinsäulen, welche im Lauf vieler Jahre von Sand und Regen
zu hohen Kegeln geformt wurden. Der Kontrast dieser Türme zu den dazwischen wachsenden
Kiefern und Pinien ist sowohl in Farbe als auch in Gestalt einfach grandios. Es
ist, als blicke man auf ein Bild von Salvador Dalí. Beim näheren Betrachten der
Säulen fällt mir auf, dass Leute ihre Namen hineingeritzt haben. Wie kann man nur!,
denke ich, und streiche mit der flachen Hand über den von der Sonne gewärmten Stein.
Wieder im Hotel schwärmt Nina von Markus. Sie ist in seinem Jeep zurückgefahren.
Ich war Chauffeur für zwei total betrunkene Norwegerinnen. Wir drei hatten eine
gute Zeit und waren ein wenig traurig, als wir uns vorhin voneinander verabschiedet
haben.
Beim Essen eröffnet mir Nina, dass
wir am folgenden Tag mit Markus und seinem
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