Tausche Brautschuh gegen Flossen
seinen Lippen.
»Du offenbar ebenfalls. Woher denn
genau?« Die Antwort weiß ich natürlich, doch das ahnt er ja nicht.
»Aus Stuttgart, aber ich war schon
lange nicht mehr dort.« Wie damals im Chat ist seine Antwort unmissverständlich
kurz und das neue Thema schnell aufgegriffen. »Ist es nicht wunderschön hier oben
in dieser Nacht? So ruhig.«
»Ist es in anderen Nächten weniger
ruhig?«
»Irgendwie ist es heute besonders
still. Vielleicht war es auch nur ein besonders lauter Tag.«
Wenngleich ich seine Vermutung,
was meinen eigenen Tag betrifft, bestätigen kann, lasse ich sie zwischen uns stehen.
Meine Finger tasten über den Türgriff. Ich will in dieses Auto … und will es doch
nicht.
»Machst du Urlaub auf Teneriffa?«,
möchte mein Gegenüber wissen.
»In Las Américas.«
»Daher komme ich auch.«
Erneut muss ich eine Frage stellen,
die er mir bereits beantwortet hat: »Machst du ebenfalls Urlaub?«
»Nein. Ich arbeite dort.«
Ich werde jetzt einsteigen.
Öffne die verflixte Tür, Lena Scholl,
und steig in die Karre!
In meinem Bauch beginnt es zu kribbeln.
Mir wird klar, dass ich nicht einsteigen werde. Ich hätte es längst tun können und
müssen. Ich kann nicht losfahren und Christoph einfach so zurücklassen, nicht einmal
ahnend, mit wem er es gerade zu tun hatte. Weil ich will, dass er es erfährt.
»Was machst du?«, frage ich und
gehe um den Wagen herum zur Beifahrerseite. Nichts als kühle Luft ist nun noch zwischen
uns. »Lass mich raten, du bist Tauchlehrer.«
Christoph entgegnet erst einmal
gar nichts. Scheinbar ist er überrascht und grübelt. »Treffer!«, meint er schließlich,
und in seiner Stimme schwingt ein Klang mit, der meinen Herzschlag antreibt wie
ein Jockey sein Rennpferd. Er steht er auf und kommt auf mich zu.
In meinem Kopf spult sich eine Laufzeile
ab, in der das Wort ›Fehler‹ steht. Fehler, Fehler, Fehler!
Auf nicht mehr als zwei Metern Entfernung
bleibt er stehen. Jetzt erkenne ich sein Gesicht. Zweifel und Verwirrung spiegeln
sich darin.
Er macht einen weiteren Schritt
und zieht die Stirn kraus. »Engelchen?«
Wie ist er nur darauf gekommen,
mich Engelchen zu nennen?
Er wartet nicht auf eine Antwort,
es war ohnehin keine Frage, die er gestellt hat. Ein breites Lächeln erhellt seine
Miene. Wie in der Dokumentation über Haie sind ihm blonde Strähnen ins Gesicht gefallen,
und er schiebt sie hinter das Ohr, legt dann die Hand halb vor den Mund und murmelt
immer noch lächelnd: »Das glaube ich nicht!«
»Ich auch nicht«, entgegne ich leise.
»Das war keine Absicht.«
»Du machst Urlaub in Las Américas?«
»Ich versuche es. Es fällt mir nicht
leicht.«
Er schiebt seine Hände tief in die
Taschen seiner Jeans, ganz so, als wolle er ihnen verbieten, mich an sich zu ziehen.
»Hast du noch Pläne in dieser Nacht?« Mit einer Kopfbewegung weist er zum Teide.
»Außer den Berg anzuschauen?«
»Ich hab gar nichts vor, schließlich
habe ich mich gerade erst damit abgefunden, dass ich Urlaub mache. Hast du einen
Vorschlag?«
Wir verlassen den fremden Planeten.
Im Mietwagen folge ich der Corvette
in einiger Entfernung, da ich keinen Blechschaden riskieren will. Ich bin so nervös
und durcheinander, und mein Denken ist von einer Leichtigkeit beseelt, als hätte
ich einen Joint geraucht.
Im Hotel angekommen, gebe ich den
Mietwagen ab und schaue aufs Zimmer. Nina ist nicht da. Das ist gut. Sie würde bloß
Fragen stellen, die ich derzeit nicht beantworten mag.
Ein Blick in den Spiegel, den Pony
zurechtgezupft, einmal tief Luft geholt und raus aus der Tür!
Christoph wartet vor dem Hotel.
Wir fahren zu seiner Finca, die
noch einige Kilometer hinter der Tauchschule zwischen den Orten Las Américas und
Costa Adeje liegt. Das Haus ist einstöckig und im alten kanarischen Stil aus dunklen
Vulkansteinen und Holz erbaut. Während Christoph eine Decke, Gläser und eine Flasche
Wein holt, laufe ich ein Stück voraus zum Meer, dessen Wellen laut gegen die Felsen
rollen. Christoph holt mich ein und führt mich über in den Stein gehauene Stufen
zu einer Sandbucht.
Noch immer bin ich so aufgewühlt,
dass ich mich überwinden muss, am Wein zu nippen. Es ist peinlich genug, dass ich
kein Wort herausbringe und zum Kettenraucher avanciere, da muss das Glas nicht auch
noch gegen meine Zähne klappern.
Christoph hingegen wirkt inzwischen
völlig gelassen und erzählt von einer Tour über die Insel, die Lenny und er am vorigen
Sonntag auf Trikes, diesen
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